In einem täglichen Stakkato an E-Mails und Social-Media-Kommentaren hatte Trump in den vergangenen Wochen Stimmung gegen die „gestohlene Wahl“ gemacht. Die Botschaft war deutlich und sie unterstrich nur das was, er ohnehin immer und immer wieder vermittelt hatte: Die US-Demokratie sei unterwandert von Lobbys und politischen Eliten, die den Willen der Menschen ignorierten, nur er sei in der Lage, ihnen zu ihrem Recht zu verhelfen. Und genau dieses Recht meinen sich Trumps Anhänger nun in Washington zu verschaffen, mit der Waffe in der Hand und mit offener Gewalt.
Nach rechts blinken
Die Zweifel an der US-Demokratie sind in den Trump-Jahren unaufhaltsam stärker geworden, befeuert von einem Präsidenten, der ständig in kritischen Momenten deutlich nach rechts blinkte. Über seinen Berater Steve Bannon hat Trump ohnehin immer wieder Kontakt zu rechten politischen Zirkeln wie der Alt-right-Bewegung aufgenommen. Als es im vergangenen Jahr in vielen US-Städten zu Unruhen wegen der Polizeigewalt gegen Schwarze kam, weigerte sich der Präsident halsstarrig, die rechten Milizen, die bewaffnet gegen die Demonstranten vorgingen, zu verurteilen.
In diesen Kreisen am rechten Flügel der Republikaner, die schon unter Obama immer lauter die Meinungsvorherrschaft für sich beansprucht haben, hat sich die Überzeugung längst verfestigt, dass Trump quasi als Einzelkämpfer für ihre Interessen eintritt, gegen die etablierte Politik. Und Trump hat diese verquere Logik schon immer für seine politischen Interessen benützt. Er sei, so suggerierte er ständig, ein Gegner des Systems, das ihn deshalb vernichten wolle. Als die Justiz und der Kongress gegen ihn wegen seiner Beziehungen nach Russland ermittelten, entwürdigte er diese zentralen Institutionen der Demokratie als Handlanger einer Elite.
Eskalation nach der Wahl
Gegen alle Gerichtsentscheide hat Trump seinen Kampf gegen das Wahlergebnis fortgesetzt und sich dabei zum Opfer des Systems stilisiert. Seine Anhänger, das zeigen aktuelle Umfragen, glauben zum Großteil, dass diese Wahl nicht nach rechtsstaatlichen Prinzipien durchgeführt wurde. Die Warnungen, die politische Vertreter beider Parteien gegen diese Hetze äußerten, stachelten die Trump-Anhänger nur noch mehr auf. Der Boden dafür war nach vier Jahren dieses Präsidenten längst aufbereitet. Die erschreckenden Szenen in Washington sind nur der bislang jüngste Tiefpunkt einer tiefsitzenden Spaltung der USA. Und diese Kluft wird nicht so rasch zugehen, auch wenn Joe Biden in drei Wochen als Präsident antritt.
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