Zwischenruf: Scheinheilige Welt

Zwischenruf: Auf, auf!
Was vom Radsport bleibt, ist unermesslicher Ärger über die Scheinheiligkeit und den systematischen Betrug am Fan.
Harald Schume

Harald Schume

Vor ein paar Jahren war im KURIER das folgende Zitat eines Tiroler Radrennfahrers zu lesen: "Mamas Jausenbrote machen mich so schnell." Wenig später hat der Tiroler was ausgefressen und wurde gesperrt. Wegen Dopings.

Auch Lance Armstrong hat sich offensichtlich stärker gemacht. Er, der Größte, Beste. Zu Füßen gelegen sind ihm die Radsport-Freunde. Voll der Bewunderung saßen wir vor dem Fernseher und staunten ob der Dominanz. Verschwendete Zeit, im Nachhinein.

Fünf Alpen-Pässe an einem Tag überquert; Etappenschnitt an die 35 km/h; und das fast drei Wochen durch. In der Tat unglaublich. Steigen Sie auf Ihr Fahrrad, treten Sie in die Pedale und halten 30 Minuten lang konstant 35 km/h. Im Flachen. Vermutlich ein Ding der Unmöglichkeit.

Klar haben wir gemutmaßt, dass kein Mann zu derart unmenschlicher Leistung im Stande sein kann, außer er hilft gezielt nach. Zum Beweis der These wurden irgendwelche Hamiltons, Winokurows, Kohls am Nasenring vorgeführt und aus dem Verkehr gezogen. Na klar. Und arm irgendwie, weil sie hatten dem großen Lance ohnehin nie das Wasser reichen können. Ja, dem großen Lance, dem Saubermann, der den Krebs besiegt und diese Willenskraft auf die Straße übertragen hat.

Kronprinzen

Am Freitag ist auch der 40-Jährige gestolpert – Armstrong wollte nicht unter Eid vor der amerikanischen Anti-Doping-Agentur aussagen, er wird deshalb lebenslang gesperrt und wohl all seine Titel verlieren. Das ist gut so.

Mit diesem indirekten Schuldgeständnis ist der Radsport endgültig ad absurdum geführt. Sieben Mal hat Armstrong die Tour de France gewonnen, sieben Mal vor Leuten, die früher oder später mit Doping zu tun hatten: Drei Mal war Ullrich Kronprinz, je ein Mal waren’s Zülle, Beloki, Basso und Klöden.

Was bleibt, ist unermesslicher Ärger. Über die Scheinheiligkeit und Durchtriebenheit. Über den systematischen Betrug am Fan. Und Mitleid mit Hunderttausenden Kindern, die in den Radrennfahrern Helden gefunden haben.

Einer ist übrig geblieben. In Großbritannien wollen sie den aktuellen Tour-de-France-Sieger und zweifachen Olympiasieger zum Sir adeln; die Leute picken sich seine Koteletten auf die Wangen; sie lieben ihn. Hoffentlich sind es tatsächlich die Fish & Chips von der Mama, die Bradley Wiggins so schnell machen.

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