Zündstoff: Die guten Netz-Werker

Die Heim-EM ist daher eine große Chance für die Volleyball, das für Teamgeist, Fitness, Gewalt- und Skandalfreiheit vorbildlich ist.
Jürgen Preusser

Jürgen Preusser

Sie kennen Michael Warm nicht? Das ist schlecht, denn er ist immerhin Teamchef. Hieße er Andi Borg, Ernst August von Hannover oder Captain Iglo - es wäre Ihnen auch egal. Stimmt's? Das ist das traurige Los einer Sportart wie Volleyball. Weltweit von Millionen betrieben - und doch gibt es oft nur einen einzigen anstelle von zwei Millionen Teamchef-Kandidaten. Der Fluch ist jedoch auch Segen: Michael Warm wird mit dem Nationalteam eher noch viel weniger gewinnen als Constantini mit seinen Kickern im Rahmen der EM-Qualifikation. Ungeachtet dessen wird keiner das Bedürfnis entwickeln, Herrn Warm teeren, rädern oder vierteilen zu lassen. Das ist gut so, denn er verdient nicht mehr als ein durchschnittlicher Angestellter, seine Spieler meist sogar weniger. (Wenngleich Österreich - unabhängig vom Gehalt - ein Land ohne Todesstrafe ist.) Volleyball wird zwar professionell betrieben, doch die Protagonisten und Idealisten, die diese olympische Weltsportart am Leben halten, rätseln seit einer Ewigkeit, warum sie im Schatten der Ballesterer stehen. Dabei liegen die Gründe auf der Hand: 1. Die hausgemachte Konkurrenz durch Beachvolleyball. 2. Die Schwierigkeit, ein echter Star zu werden, weil die Positionen auf dem Spielfeld andauernd rotieren. 3. Der fehlt Körperkontakt wegen des Netzes, das die Parteien voneinander trennt, geht den unzähligen (oft geheimen) Fans des brachialen Zweikampfs ab. Trotzdem genießen die Netz-Werker im Gegensatz zu ihren politisch aktiven Amtskollegen ein positives Image. Die Heim-EM ist daher eine große Chance für eine Sportart, die für Teamgeist, Fitness, Gewalt- und Skandalfreiheit vorbildlich ist. (Sofern man die verteilten Werbe-Präservative mit der Aufschrift "Wir freuen uns, wenn du kommst" nicht als Skandälchen empfindet.) Wenn diese Chance genutzt wird, um das lächerliche Völkerball aus den Turnsälen zu vertreiben und um Kindern einen würdigen Schulsport anzubieten, hat das Event seinen Zweck bereits erfüllt. Nach der EM sollen Herrn Warm zumindest ein paar wildfremde Menschen auf der Straße grüßen. Und im besten Fall sogar zu einer kleinen sportlichen Überraschung gratulieren.

Kommentare