wunder WELT: Kompliment!

wunder WELT: Kompliment!
Joachim Lottmann über seine eigene Unprominenz und seine Bewunderung für Christina Stürmer.
Joachim Lottmann

Joachim Lottmann

So also ist es, mit einer Nationalheldin am Tisch zu sitzen. Nämlich mit Christina Stürmer. Im Café Hummel, immerhin ein Bohème-Lokal, kennt sie jeder. Der sonst grantige Kellner überschlägt sich fast. Bitte schön, bitte gleich, darf ich noch, möchten Sie vielleicht, und noch ein besserer Tisch für Sie, unser bester natürlich, aber gern Frau Stürmer, danke schön! Da merkt man erst, wie unprominent man selber ist, als einfacher Schriftsteller. Millionen Tonträger hat sie verkauft, und das nicht nur, weil sie in Torsten Kirmes den besten Manager der Welt hat. Vielleicht war sie einmal ein größerer Star als heute, aber bei Nationalhelden ist das wurscht. Deren Ruhm ist zeitlos. Auch Krankl hat einmal besser Fußball gespielt. Oder Falco: der würde hier genauso hofiert werden, lebte er noch. Seltsamerweise passt das Hofieren gar nicht zu ihr. Sie hat so überhaupt keine Allüren. Und kein Ego, jedenfalls kein aufgeblasenes. Sie ist interessiert, hört gern zu, ist dabei extrem relaxed und freundlich. Ich erzähle von Büchern, die ich mag, und Theaterstücken, von Lars von Triers "Melancholia" - und Christina schreibt sich alles auf. Sie will nicht mehr sein, als sie ist, im Gegenteil. Die Ö3-Nervensägen erträgt sie geduldig, ebenso die Zumutungen der falschen Schlagerwelt. Und das, obwohl sie nichts weniger ist als ein Schlagermädchen. Sie ragt aus dieser Welt heraus wie die sprichwörtliche Rose auf dem Misthaufen. Christina Stürmer war immer schon etwas ganz Besonderes. Kurze Haare, burschikos, sportlich, ehrlich. Genau die Person, mit der ein schwieriger Mensch jederzeit eine 14-tägige Pauschalreise in die Camargue buchen würde. Ohne weitere Prüfung, sofort. Oder eine Bergtour. Aber das gilt nicht für mich. Ich muss über sie schreiben. In einer wichtigen deutschen Zeitung. Also superkritisch, für die Intellektuellen. Danach wird sie mich hassen.joachim.lottmann(at)kurier.at

Kommentare