wunder WELT: Eierspeise

wunder WELT: Eierspeise
Joachim Lottmann findet die Slowenen.
Joachim Lottmann

Joachim Lottmann

Mit meiner Verlobten Maria sehe ich mir die neuen zweisprachigen Ortstafeln in Kärnten an. Schön schauen sie aus. "Siehst, das ist das Ende des Zweiten Weltkrieges. Hat der Vertreter von den einen doch gesagt." - "Na, gor net. Jetzt fangt es erst an." -"Wie? Nochmal Weltkrieg? Gegen die Slowenen?" - "Ah geh! Aber die müssen jetzt ihr Recht, das sie 'kriegt haben, auch durchsetzen." Ich überlegte. Die Slowenen waren nur ein Promille oder so von der Bevölkerung. Jetzt waren keine zu sehen. Nur die neuen, glänzenden, abwaschbaren Schilder, weißer Grund, schwarze Lackschrift, blaue Umrandung. Eben noch waren Politiker, Staatsmänner, Diplomaten vor der Tafel gestanden, hatten wunderboor von den beiden Völkern gesprochen. Zwei Sprachen, ein Kärnten! Mehrere Kulturen, aber eine Heimat! Bravo! Super! Aus Wien waren sie alle angereist, auch der Kanzler, auch wir. Von Dorf zu Dorf war die Karawane der schwarzen Audi-A8-Limousinen gezogen, von Tafel zu Tafel, Reden haltend, Tafeln enthüllend. Bis wir uns abkoppelten, die Maria und ich. "Aber wo sind sie denn jetzt bloß, die Slowenen?", fragte ich die Maria. "Irgendwo müssen s' scho sein. Erst ab 17,5 Prozent Bevölkerungsanteil werden die Tafeln zweisprachig..." - "...und überdimensional groß, wegen der vielen Wörter." - "Ja, schön schauen s' aus, die riesigen Tafeln!" Wir fragten nochmal einen herumstehenden Kärntner nach den unauffindbaren Slowenen. Er wusste schließlich Rat. Im Dorf gibt es ein Lokal, das "Gibace" machen kann. Eine slowenische Eierspeise. Genau gesagt ein salziges Omelette mit süßer Preiselbeermarmeladen- und käsehaltiger Quarkfüllung. Das aßen wir. Es schmeckte interessant. Also eher furchtbar. Aber der Beweis war erbracht und der slowenische Einfluss in Kärnten nachgewiesen! Zufrieden gab ich Maria Recht: "Bei uns in Berlin gibt es auch viele Esskulturen. Aber so schöne mehrsprachige Tafeln dafür habt nur ihr!"joachim.lottmann@kurier.at

Kommentare