wunder WELT: Damenauto

wunder WELT: Kreislauf
Joachim Lottmann über ein neues altes Auto, das nicht ganz den Erwartungen entsprach.
Joachim Lottmann

Joachim Lottmann

Vor ein paar Tagen fuhr ich nach Floridsdorf, ein neues Auto zu kaufen. Es war diese erste wunderbare Frühlingswoche, als alle ins Anzengruber und ins Hummel liefen, natürlich nur draußen saßen. Draußen hatten sie ja nicht renoviert. Nur ich fuhr nach Floridsdorf. Das Auto hatte ich aus dem Internet. Ein kleiner Japaner, im Neuzustand, ich hatte Fotos gesehen. Damenauto, scheckheftgepflegt, Nichtraucher, Garagenfahrzeug, Erstbesitz, neues Pickerl, nur schon etwas älter. Nun, ich kannte mich aus und wusste: Lieber ein altes, gepflegtes Kfz von der Oma, als eine relativ neue Schrottmühle, die der Junior zu Schanden gefahren hat, im Suff, mit ACDC im Ohr. Diese ersten Japaner waren ohnehin unzerstörbar. Der Toyota Starlet war eine Legende, oder der Corolla der 1990er-Jahre, oder der Daihatsu Cuore von 1993. Die fahren heute alle noch. In der S-Bahn glücklich plappernde junge Menschen. Die berühmten süßen Vorstadtmädel, so sahen sie also aus. Ich dachte trotzdem nur an unser neues Auto. Endlich wieder motorisiert! Endlich wieder obere statt untere Kaste der Gesellschaft, Täter statt Opfer, agierend statt gehorchend! Das neue alte Auto entsprach zunächst meinen Erwartungen. Außen wie neu. Seit 2006 stillgelegt. Aber wo war die Oma? Und das Scheckheft? In den Papieren standen acht Vorbesitzer. Und ein anderes Geburtsjahr, nämlich 1988. Die muffigen, ausgeleierten Sitze waren hinüber, die Innenverkleidung hing in lappigen Streifen nach unten. Die süßen Mädel wären da nicht eingestiegen! Der Motor pfiff aus dem letzten Loch, jaulte gottserbärmlich. Die Kaufsumme von 2.400 Euro hatte ich übrigens dabei.

Später im Anzengruber hatte ich sie immer noch. So konnte ich diverse Runden ausgeben. Und später unfallfrei und auch sonst ganz frei mit dem Taxi durch die Frühlingsnacht nach Hause gondeln ...

joachim.lottmann(at)kurier.at

Kommentare