Verreist, dienstlich

wunder WELT: Kreislauf
wunder WELT: Joachim Lottmann über Rom und den Sommer
Joachim Lottmann

Joachim Lottmann

Dienstreisen sind ja etwas Schönes, finde ich. Da tut einem der Chef einmal etwas Gutes. Vor allem im Sommer. Ich war jetzt zwei Tage in Rom. Alle kicherten erst mitleidig: Rom im August, alle Römer sind weg, dafür alle Touristen da! Und das, während David Guetta in Wien ist! Aber ich dachte mir: Rom, Sommer, da ist der Papst in seiner Sommerresidenz, vor den Toren der Stadt, da besuche ich den mal. Und so machte ich es. Mit dem Taxi am Sonntag die Via Appia Antica entlang bis Castel Gandolfo, und dann rein in die päpstliche Villa. Ich wusste, dass der Pontifex hier den Angelus betet, und dass jeder Christ mitbeten darf, solange genug Platz da ist. Es waren außer mir nur ein paar angehende Nonnen aus Frankreich gekommen, sowie eine deutsche Jugendgruppe aus einem Ferienlager in Ostia. Die Jugendgruppe, gänzlich unkatholisch, musste draußen bleiben, ich durfte hinein. Die Nonnen sangen sofort ihre Fan-Gesänge "Be-nedet-to! Be-nedet-to!", musikalisch den Schlachtrufen in Fußballstadien nicht unähnlich. Dann trat der Heilige Vater auf den Balkon. Die Papstfahne flatterte stramm im Wind. Theatralisch langsam breitete er die Arme aus. Die Nonnen kreischten entzückt. In einfachen Worten, als wäre es zum ersten Mal, erklärte er das Evangelium, und zwar auf Deutsch. Vorher hatte er auf Italienisch, Latein und Französisch gepredigt. Die jungen Deutschen, die entkräftet auf dem Vorplatz abhingen und das Spektakel über eine Großleinwand verfolgten, horchten auf. Jetzt sprach er zu IHNEN! Und wirklich, der Papst sagte: "Und das gilt auch für euch, liebe Jugendliche aus dem Ferienlager Ostia. Ich grüße euch herzlich. Möget ihr gut erholt und seelisch bereichert in unsere schöne Heimat zurückkehren. Gottes Segen sei mit euch!" Jetzt jubelten auch sie. Bei meiner eigenen Rückkehr konnte ich das bestätigen. Gut erholt und seelisch bereichert kam ich in Wien an. Was ich erlebt hatte, schlug sogar David Guetta.

joachim.lottmann(at)kurier.at

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