Seniorenfilm

Schon wieder war ich im Kino. Und schon wieder ein Seniorenfilm. Diesmal mit Meryl Streep und Tommy Lee Jones. Ich habe nichts gegen unsere älteren Mitbürger, im Gegenteil. Einige meiner besten Freunde sind alt. Doch seit ich den Michael-Haneke-Film gesehen habe – ich erzählte davon – und "Late Bloomers" (deutsch in etwa "Die Verblühten") mit Isabella Rossellini, sitzt mir der Schrecken im Genick. Da entdecken immer Leute jenseits der Pensionsgrenze den Sex. Ist das wirklich so toll? Ist das nicht eigentlich der falsche Zeitpunkt? Und jetzt also "Wie beim ersten Mal". Ging da ganz unbedarft rein. Wegen Meryl Streep, die ich in "Der Teufel trägt Prada" mochte. Da hatte sie noch etwas an, tolle Prada-Kostüme. Nun aber das: Sie steht im Negligee, parfümiert, zugeschminkt wie der ärgste Transvestit, nachts im Zimmer vom schlafenden Opa, mit dem sie seit 35 Jahren verheiratet ist. Sie will mit ihm die Sache machen. Er wacht auf und erschrickt total. Was also tun? Sie beginnen eine langwierige Paartherapie. Wie kriegt man den Sex wieder zum Laufen? Sie müssen ihre Fantasien erzählen. Seine drehen sich um die junge Nachbarin. Aber am Ende ist er wieder scharf auf seine Frau. Er mietet im besten Restaurant der Stadt den besten Tisch, lässt Champagner, Kerzen und spießige Kuschelrock-Musik auffahren, und dann geht’s hurtig aufs Zimmer. Auch dort rote Rosen, Elton John und ähnliche Widerwärtigkeiten. Es kommt zum Äußersten. Ich vergrabe mein Gesicht in der Schulter meiner Frau. Aber sie hören nicht auf. Die Zuschauer – meist aus der Generation Sechzig Plus – stöhnen mit, aber nicht aus Lust. Der nackte Oberkörper von Tommy Lee Jones in Großaufnahme: Das hat wohl keiner so gewollt. Die Maria, die solche Filme trotz allem mag, ist gerührt. Beim Hinausgehen humpele ich ein bisschen. Ihr zuliebe. Wir leben eben in der überalterten Gesellschaft. Das muss man akzeptieren.

joachim.lottmann(at)kurier.at