Der Möchtegern-Steuerjäger

Wie Ex-Innenminister Ernst Strasser mit der Finanz als Schwarzgeld-Fahnder ins Geschäft kommen wollte.
Andrea Hodoschek

Andrea Hodoschek

Ausgerechnet der Möchtegern-James-Bond diente sich der Finanz als Steuerjäger an.

von Andrea Hodoschek

über den verhinderten Schwarzgeld-Fahnder Ernst Strasser

Als Aufdecker von vermeintlichen Geheimagenten agierte Ernst Strasser ziemlich patschert. Er habe sich nur deshalb mit den zwei als Lobbyisten getarnten britischen Undercover-Journalisten eingelassen, weil er ihre Auftraggeber auffliegen lassen wollte, beteuert der ehemalige Innenminister und Leiter der ÖVP-Delegation im EU-Parlament. Ob ihm der Schöffensenat die Rolle des Agentenjägers abnimmt, wird sich bei der für Montag angesetzten Urteilssprechung herausstellen (mehr dazu hier).

Ausgerechnet jener Möchtegern-James-Bond, dem wegen des Vorwurfs der Bestechlichkeit eine Höchststrafe von zehn Jahren droht, diente sich der Finanz als Steuerjäger an. Genau genommen der Großbetriebsprüfung, der Elite-Einheit der Finanzverwaltung. Mit dabei: der Unternehmens- und Steuerberater Thomas Havranek, der Strasser bei seiner Zeugenaussage am Freitag als seinen Mentor bezeichnete.

Der als Meinl-Gutachter wegen Befangenheit abgesetzte Havranek arbeitete 2006 mit seiner Firma CIN (Corporate Information Network) der Finanz zu. Die CIN, Österreich-Partnerin einer von einem britischen Ex-Militär gegründeten Gesellschaft, definiert sich als „ein Team hoch motivierter und qualifizierter Experten“ mit einer breiten Leistungspalette – inklusive Forensik und Investigation. Strasser war anfänglich nur als Beirat an Bord. Die Qualitäten der CIN-Truppe beim Aufspüren von Schwarzgeld dürften nicht schlecht gewesen sein. Von Panama bis Zypern wurde vor Ort recherchiert, meist galt es zu eruieren, ob verdächtige Unternehmen tatsächlich dort tätig waren oder nur Briefkästen unterhielten. Der Referenz-Auftrag brachte Steuereinnahmen von einer halben Million Euro. Ein dicker Fisch ging bei Nachforschungen in Panama ins Netz. Recherchen über ein Steuerkarussell zwischen Zypern, Polen und der Ukraine sollen der Finanz zu einem „Mehrergebnis“ von 8,2 Millionen Euro verholfen haben. Sieben Fälle listeten Havranek und Strasser auf und reklamierten für die CIN, Steuereinnahmen von 9,1 Millionen aufgespürt zu haben. Zehn Millionen wären zudem in Rechtsmittelverfahren ausständig. Alles für ein bescheidenes Honorar von 32.000 Euro. Ob das Amtsgeheimnis gewahrt bleibt, wenn die Finanz externe Rechercheure ansetzt, ist eine andere Frage. Strasser witterte ein ausbaufähiges Geschäftsmodell und beteiligte sich mit einer Einlage von 4000 Euro als Drittel-Gesellschafter an der CIN. Im Jänner 2007 setzte er gleich an oberster Stelle an, beim damaligen Finanzminister und Parteikollegen Wilhelm Molterer. Interveniert wurde auch beim Kabinettschef von Molterer. Der dürfte sich ins Zeug gelegt haben und mailte an Havranek, sein Anliegen habe „bei uns sein passendes zu hause gefunden(siehe Faksimile) . xyz https://images.kurier.at/46-53142679.jpg/2.493.286 KURIER 46-53142679.jpg

Inzwischen lernte Strasser den Sondergruppenleiter der Großbetriebsprüfung Wien persönlich kennen und schlug Havranek vor, ihm „unsere Idee“ vorzutragen, „wie er den gangstern leichter auf die schliche kommt“. Und zu Nationalbank-Direktor Peter Zöllner habe er guten Kontakt aufgebaut, haben wir da gar keine interessen?“ Es gab keine Folgeaufträge, aber ein Strasser lässt nicht so schnell locker. Havranek schreibt mit Datum 28. November 2008 ein artiges Briefchen an Molterers Nachfolger Josef Pröll und legt wiederum die „Erfolgsbilanz“ der CIN bei. Mit Verweis auf seine Partner und Beiräte Strasser sowie Günther Havranek (sein Vater) sucht er um einen Gesprächstermin an, „um Ihnen unsere Vorschläge zu einer nachhaltigen Zusammenarbeit zu präsentieren“. Auch diese Intervention bleibt erfolglos. In einem offiziellen Schreiben des Ministeriums vom 19. Dezember 2008 wird um Verständnis ersucht, dass „Ihrem Vorschlag einer generellen Kooperation nicht gefolgt werden kann“. Die Finanzverwaltung greife zwar in Fällen, „in denen die herkömmlichen Ermittlungsmethoden an ihre Grenzen stoßen, insbesondere in potenziellen Abgabenhinterziehungsfällen mit ausländischem Bezug“ auf externe Ermittlungsunterstützung zurück. Aber immer nur „einzelfallbezogen“. Seit 2009 verzichtet die Finanz, die ihre IT aufrüstete, generell auf Dienste Außenstehender.

Stellt sich die Frage, warum sich Havranek überhaupt mit Strasser verbündete. Gilt doch Havranek senior als graue Eminenz in der Wiener SPÖ. Strasser sollte dem Junior, der sich Molterer auch als Political Advisor andiente, vermutlich die Türen zur schwarzen Reichshälfte öffnen. Über Mandate will Thomas Havranek „grundsätzlich keine Auskunft geben“. Seinen Beirat, in dem auch Ex-OMV-Chef Richard Schenz (VP) sitzt, habe er „mit dem Hintergrund, uns Entrées bei Unternehmen zu verschaffen, die wir ohne Beirat nicht bekämen. Strasser war Teil des Beirats“. Die Wiedersehensfreude hielt sich im Gerichtssaal freilich in Grenzen.

Der verhinderte Steuerjäger Strasser hat übrigens selbst ein Finanzverfahren am Hals. Nach Auffliegen der Lobbying-Affäre legte er alle Mandate zurück, auch die Beteiligung bei Havranek, und erstattete beim Finanzamt Hollabrunn Selbstanzeige. Sein Anwalt war für den KURIER nicht erreichbar.

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