Wiaschtln und Pommler mit Ketchup
Die Buffetbesitzerin im Bad ist immer noch genau so grantig wie damals, 1985. Sie brüllt ohne Unterlass: "Wea kriagt jetzt de gschissanen Wiaschtln?" Bei ihr gibt es genau das gleiche wie vor 27 Jahren: Würsteln, Schnitzelsemmel, Pommler mit viel Ketchup und in Fett herausgebackenen Sondermüll namens Langos. Dafür hat auf der anderen Seite der Liegewiese jetzt ein Zweitbuffet eröffnet, dort haben sie eine Weinkarte, Garnelenklumpert und eine WLAN-Wolke für die armen Wichtigen.
Die entscheidende Frage, die sich mir aufdrängt, wenn ich das Bad von heute mit dem Bad von damals vergleiche, ist aber folgende: Wo wachsen plötzlich all die fetten Kinder? Damals sah man vielleicht ein, zwei übergewichtige Kinder im Bad, heute ist, grob geschätzt, jedes dritte Kind blad. Beim Becken sehe ich einen etwa 12-jährigen Buben, der locker mehr als 100 Kilo hat, sein Bauch hängt bis zu seinen kaputten Knien hinunter. Was die Eltern diesen Kindern antun – offensichtlich werden sie mit einer Diät aus Chips, Cola und Fernsehen ernährt – kommt einer schweren Körperverletzung nahe.
Klar, gegen das Fernsehen – den großen Zeit-, Fantasie- und Lebens-Dieb – kommt man schwer an. Auch meine Kinder würden am liebsten den ganzen Tag das sehen, was Harald Schmidt "Unterschichtenfernsehen" nannte: Scripted-Reality-Serien auf Vox oder RTL2, in denen drastisch übertätowierte Dillos Sachen sagen wie "Boah" oder "Ey", und das heißt dann soviel wie "Ich verspüre den Wunsch, mit dir Geschlechtsverkehr zu betreiben." Wenn’s gar nicht anders geht, schmeiße ich den Fernseher aus dem Fenster, dann gehen wir ins Bad (und zwar immer exakt dann, wenn das Wetter kommt), lassen uns beim Schwimmen die Tropfen auf die Köpfe prasseln und widmen uns der philosophischen Frage: Wird das Becken vom Regen nass?
guido. tartarotti(at)kurier.at
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