Wecker

Guido Tartarotti

Guido Tartarotti

Bei mir beginnen die Tage damit, dass der Wecker NICHT läutet.

von Guido Tartarotti

über Geburtstage

Mein Geburtstag – es ist der fünfzehndreißigste – begann damit, dass der Wecker läutete. Das wird Ihnen jetzt nicht unbedingt als Begebenheit erscheinen, die es wert ist, aufgeschrieben, gedruckt und zu Weihnachten mit verteilten Rollen vorgelesen zu werden. Die meisten Menschen beginnen ihre Geburts- und sonstigen Tage ja damit, dass der Wecker läutet. Ich aber nicht. Bei mir beginnen die Tage damit, dass der Wecker NICHT läutet.

Ich bekam den Wecker vor zwei Jahren von meiner Freundin zum Geburtstag geschenkt. Es ist ein Vespa-Wecker – das Bild eines Vespa-Rollers aus den fünfziger Jahren ziert das Ziffernblatt, weswegen man die Zeiger kaum erkennen kann. Aber wer will schon eine Uhr, um die Zeit zu sehen? Die Zeit vergeht eh, egal, ob wir hinschauen – eine Uhr hat schön zu sein! Und schön ist er, mein Vespa-Wecker. Restlos begeistert war ich aber, als ich bemerkte, dass der Wecker nicht läutet. Man kann zwar die Weckzeit einstellen, aber wenn die erreicht ist, sagt der Wecker nur leise „Knacks“ und schweigt weiter. Das finde ich sehr sympathisch, Wecker, die nicht läuten, sind meine Freunde. Ich habe ein ganz gutes Zeitgefühl, ich sage mir beim Schlafengehen vor, wann ich aufwachen will, und das klappt fast immer. Und wenn es einmal nicht klappt, kann ich im Büro sagen „Der Wecker hat nicht geläutet!“, und es ist nicht gelogen.

An meinem diesjährigen Geburtstag läutete der Wecker. Zum ersten Mal. (Nicht gelogen – so eine Pointe fiele mir nicht ein.) Und seither rätsle ich: Was wollte er mir damit sagen?

Mein Geburtstag ist übrigens am Weltschildkrötentag. Kurz, nachdem der Wecker geläutet hatte, kam die Dogge an mein Bett, brachte mir eine Stoffschildkröte (ein altes Spielzeug meiner Kinder), biss der Schildkröte das rechte Auge aus und fraß dieses. Wirklich wahr, ich schwöre.

guido.tartarotti(at)kurier.at

www.guidotartarotti.at

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