über LEBEN: Weniger Mathematik, mehr Deutsch

über LEBEN: Weniger Mathematik, mehr Deutsch
Guido Tartarotti über sein Leben mit der Mathematik.
Guido Tartarotti

Guido Tartarotti

Egal, wie gut ich mich verstecke: Die Mathematik erwischt mich. Ich bin ja ein Fan der Idee des Landeshauptmanns Pühringer, Schüler sollten Defizite in einem Fach durch Mehrleistungen in einem anderen kompensieren können. Also z. B. 80 Prozent in Mathematik, ausgeglichen durch 120 Prozent in Deutsch. Das wäre etwas gewesen für mich. Nur hätte ich das System weiter ausgereizt: Ich besuche gerne die doppelte Stundenanzahl in Deutsch, Geschichte, Physik oder sogar Latein - und gehe dafür überhaupt nicht in Mathematik. Ich bin in Mathematik sozusagen farbenblind. Ich fühle Zahlen nicht. Bis heute muss ich bei der Rechnung sieben plus sechs nachgrübeln, da mir sieben und sechs (bei anderen Zahlen ist es komischerweise besser) kein Gefühl vermitteln. Sie sind für mich das gleiche: Mehr als fünf, weniger als zehn, näher bei fünf. Mit Nachhilfe von der ersten bis zur achten habe ich mich bis zur Matura gequält. Aber ich war ein dressierter Affe, ohne jedes Verständnis. Bis heute ist es mir unbegreiflich, wie man mit Buchstaben rechnen kann. Und wieso man das überhaupt tun soll - es ist doch viel schöner, sie zu lesen! Ich weiß, es gibt Menschen, für die ist Mathematik ein Genuss. Mein engster Freund in der Schulzeit bearbeitete in seiner Freizeit daheim mathematische Probleme, so wie andere Tennis spielen oder Fische züchten. Ihm war es dafür rätselhaft, wie man freiwillig etwas so Fades tun konnte wie Thomas Mann lesen. Unlängst saß ich in der Sprechstunde beim Klassenvorstand meines Sohnes. Der Klassenvorstand erklärte mir leuchtenden Auges, dass es nichts Aufregenderes gebe als die Mathematik. Und dass ich mithelfen müsse, meinem Sohn diese Erkenntnis zu vermitteln. Da hatte sie mich wieder eingeholt, die Mathematik. Herr Pühringer, holen Sie mich da raus!

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