über LEBEN: Weihnachten mitten im Jahr

über LEBEN: Weihnachten mitten im Jahr
Guido Tartarotti über Weihnachten als Trost für WM-Ende
Guido Tartarotti

Guido Tartarotti

Eine Fußball-WM funktioniert wie eine Wasserleitung: Man kann jederzeit aufdrehen und es rinnt Fußball heraus. Diese Verlässlichkeit macht beide Erfindungen auch so beliebt. Jetzt dauert die WM nur noch eine Woche, und der Wasserdruck lässt bereits merklich nach. Die Spiele werden weniger (wenn auch wichtiger) und schon bald wird die Wasserleitung ganz versiegen. Das Schöne an einer Fußball-WM ist ja auch, dass sie uns mit dem Duft ferner Erdteile versorgt: Neuseeland-Paraguay mag ein Schweinskick sein, aber allein der Titel der Begegnung fühlt sich so viel besser als als Joskofensterried gegen Superfundkapfenberg. Da die immerwährende WM noch nicht erfunden ist, trösten wir uns mit der Tatsache, dass bald Weihnachten ist. Was heißt bald: Schon lange! Bereits Mitte Juni erhielt meine reizende Kollegin Barbara die erste Presseaussendung zum Thema Weihnachten. Der "Kultur- und Weihnachtsmarkt Schloss Schönbrunn" teilt darin der Weltpresse mit, dass er vorhat, am 20. November aufzusperren (da ist er eh schon reichlich spät dran, bis dahin sind es nur noch knapp sechs Monate). In dem malerischen Text drängeln sich Formulierungen wie "Lichterglanz" und "romantisches Adventdorf" und "Besinnliches" und "Lebkuchen" und "stimmungsvoll" und "Wenn sich das Jahr dem Ende zuneigt", sodass einem beim Lesen unweigerlich punschig ums Herz wird und der Schnee leise durch die Seele rieselt.

Das wird meinen Nachbarn freuen. Voriges Jahr erwarb er eine monumentale Weihnachtsbeleuchtungsgarnitur (das eine Rentier sieht ein bisschen aus wie Manfred Zsak), die er am 2. Oktober in Betrieb und bis heute nicht wieder vom Netz nahm. Vielleicht wollen er und die Schönbrunner Adventmarktpartie aber auch nur ihre Solidarität mit Neuseeland bekunden. Dort feiern sie ja auch Weihnachten mitten im Sommer.

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