über LEBEN: Polterabend

über LEBEN: Polterabend
Guido Tartarotti über unnötige Bräuche rund um Hochzeiten.
Guido Tartarotti

Guido Tartarotti

Ich hasse Polterabende. Genau jetzt, da ich mich in Gesellschaft eines perfekt medium gebratenen Steaks dafür belohnen will, das verheerend öde neue Schimmelpfennig-Stück in Salzburg überlebt zu haben, bricht die Hölle los. Eine undefinierbar verkleidete Frauen-Polterabend-Partie (Babys aus dem Weltraum? Lady Gaga als Klofrau im alten Rom? Betriebsausflug der geschlossen Abteilung?) stürmt brüllend das friedliche Lokal. Die in jeder Hinsicht fette Braut gibt, während sie versucht, einem unschuldigen Gast seine Unterhose abzukaufen, jene Geräusche von sich, die man im Dialekt unter dem Begriff "kieren" zusammenfasst: Ein hochfrequentes Kreischen, bei dem man nicht weiß, ob die Kreischende lacht oder gefoltert wird. Es klingt wie ein Düsenflugzeug mit Blinddarmentzündung. Und das Schlimmste ist: Es hört nicht auf. Die machen keine Anstalten, sich jemals wieder zu schleichen. Man kann dem Bräutigam in seinem Interesse nur wünschen, dass er gehörlos ist. Ich hasse Polterabende. Ein Bekannter wurde auf seinem Polterabend von sogenannten Freunden zum Verzehr von etwa 30 Schnäpsen genötigt und irgendwann einfach auf dem Gehsteig liegen gelassen. Ich fand ihn zufällig und brachte ihn ins Spital. Alkoholvergiftung. Bei meiner Hochzeit, morgen vor 18 Jahren, gab es weder Polterabend noch Brautentführung, weder Unterwerfungsspiele noch Autohupen. Wir haben uns jegliches Brauchtum verboten. Es gab auch keinen Hochzeitstanz, denn ich bin zum Tanzen zu blöd und tanze daher nie. Wir haben gegessen und getrunken und enorm viel gelacht, irgendwann haben wir selber musiziert und flogen anschließend nach Amerika. Ich weiß noch, dass ich mir damals gedacht habe: So war es gut. Und das dachte ich mir elf Jahre später, bei der Scheidung, auch. guido.tartarotti@kurier.at

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