über LEBEN: Jugendträume

über LEBEN: Jugendträume
Guido Tartarotti über den Wunschtraum Rockstar zu werden.
Guido Tartarotti

Guido Tartarotti

Plötzlich steht Claudia vor mir. Claudia war meine erste richtige Freundin. Ich habe sie zuletzt 1985 gesehen, als ich vor ihren Sade-Platten die Flucht ergriff. "Du hast dich überhaupt nicht verändert", sagen wir beide, und sind beide bereit, zumindest die Lüge des anderen zu glauben. Ich habe mich insofern tatsächlich nicht verändert, als ich mit 42 immer noch denselben Traum träume wie mit 17: Von Beruf Rockstar zu sein. Als Claudia plötzlich vor mir steht, versuche ich gerade, meine Gitarre zu stimmen. Wir befinden uns in einem Kellerlokal, 46 zahlende und neun nicht zahlende Zuschauer sind bisher erschienen, um das erste Konzert meiner neuen Band NOW zu erleben. Claudia ist Zahlende Nr. 47. Plötzlich glaube ich, mich vor ihr verteidigen zu müssen. Für die Tatsache, dass mir in den vergangenen 25 Jahren kein neuer Traum eingefallen ist. Was ist der größere Verrat an einem Traum? Ihn zu vergessen? Oder ihm mit zu wenig Talent nachzujagen? "Kannst du denn singen?", fragt sie. "Ich singe nicht, weil ich kann, ich singe, weil ich muss", sage ich und schaue so existenzialistisch wie möglich drein. An dem Spruch habe ich lange geübt. Ebenso wie an diesem: "Auch Fehler sind nur eine Form des Ausdrucks."

Das Konzert läuft gut und enthält jede Menge . . . Ausdruck. Das Publikum versäumt uns zuliebe England gegen USA, also gurre ich ins Mikro: "Wir können nicht versprechen, dass wir so gut kicken wie Wayne Rooney. Aber wir werden uns sehr bemühen, besser zu singen. Und ich verspreche, dass wir besser aussehen als er." Teile dieser Ankündigung halten wir souverän ein. Nachher sagt Claudia: "Du hast eine sehr schöne Gesangsstimme", und ich glaube ihr diese zweite Lüge noch lieber als die erste. Sollte Claudia tatsächlich noch einmal auf ein Konzert von uns kommen, dann singe ich ihr "Smooth Operator".

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