über LEBEN: Im Aufzug

über LEBEN: Im Aufzug
Guido Tartarotti über bedränges Liftfahren
Guido Tartarotti

Guido Tartarotti

Die Türe verriegelt sich. Gefangen. Wie immer habe ich die Sonnenbrille auf, die Augen zu und mich zur Wand gedreht. Ein dreifacher Schutz, um nicht sehen zu müssen, wie eng es hier ist. Eine dicke Dame drückt mir ihren Busen in die Rippen und bläst mir ihre Kaffeefahne auf die Wange. Ich kenne kaum einen widerlicheren Geruch als morgendlichen Kaffeeatem, durchsetzt mit Spuren von Zahnpasta, zarten Wurstsemmel-mit-Mayo-Aromen und mehr als einer Ahnung von Nikotinzahnbelag. Der ehrlich erschuftete, männlich-herbe Schweißhauch des Fahrradboten, der mich gerade mit seinem Rucksack kratzt, hat dagegen etwas fast Rührendes. Der bräunliche Beamtentyp, der sich im letzten Moment noch dazu gedrängt hat ("Erlauben!") und jetzt in der grotesken Parodie einer gewagten Sexposition an mir klebt, ist dagegen gänzlich geruchslos, was auch schon wieder irritiert. Wie immer überprüfe ich, ob Druckgefühl in Blase oder Darm vorhanden ist. Falls wir stecken bleiben - wie lange halte ich durch? Bis Hilfe kommt? Wie lange braucht die Hilfe, um zu kommen? Vor sieben Monaten blieb eine Bekannte stecken, und es kam gar keine Hilfe. Ich glaube, sie steckt heute noch und ernährt sich von Lippenstift und Kurzparkscheinen.

Als wir uns in Bewegung setzen, springt mich die Panik an - und der Wunsch, mir den Weg Bruce-Willis-artig frei zu kämpfen, raus aus dieser würdelosen Enge, oder wenigstens zu brüllen. Zum Glück bin ich von der Panik gelähmt, sodass ich nur dumm dastehen und "Bgmnlkrstqmpf" sagen kann, als mir die Kaffeefahnenfrau "Noch einen schönen Tag" wünscht. Wie immer öffnet der Lift nach elfeinhalb Sekunden im achten Stock seine Türe. Gerettet. Falls ihr also einmal mit mir Aufzug fahren müsst: Ich bin gar nicht arrogant. Ich habe nur Angst. Was sagt ihr? Zu Fuß gehen? Aber wirklich nicht!

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