Synonymitis

Guido Tartarotti

Guido Tartarotti

Sie führt zum völligen Verlust der Fähigkeit, sich wie ein normaler Mensch auszudrücken.

von Guido Tartarotti

über Synonymitis.

Rom. Da könnten wir bleiben. Die schönste Stadt, die ich je gesehen habe. Und sie schmiegt sich so herrlich an unseren idealen Tagesablauf an. Und der geht so:

Gegen zehn Uhr: ausgeschlafen erwachen. Elf Uhr: Frühstück. Meine Freundin verschlingt einen halben Ochsen und spült mit zwei Litern Milchkaffee nach. Ich frühstücke ein Cola Zero (Kaffee vertrage ich nicht, und essen nach dem Aufstehen macht mich todmüde). Elf Uhr dreißig bis 20 Uhr: Zu Fuß durch die Stadt latschen, von allem begeistert sein und absichtlich dumme Fotos machen. 20 Uhr bis Mitternacht: essen. Mitternacht bis zwei Uhr früh: Alkohol trinken und sehr viel lachen. Zwei Uhr: Bettruhe.

So würde ich gerne mein ganzes Leben verbringen, hier in Rom, und nicht nur vier Tage. Ist da draußen jemand, der zu viel Geld hat und mein dolce far niente sponsern will?

Wenn man sagt, man war in Rom, sagen alle: Ah, in der Ewigen Stadt! Und ich krieg dann sofort Ausschläge. Das erinnert mich nämlich an die gefährlichste Krankheit, mit der wir Journalisten uns infizieren können: Synonymitis. Sie führt zum völligen Verlust der Fähigkeit, sich wie ein normaler Mensch auszudrücken. Von Synonymitis Befallene zeigen schreckliche Symptome: Sie schreiben statt Zigarette „Glimmstängel“, statt Fahrrad „Drahtesel“, statt Wasser „kühles Nass“, statt Schulanfänger „Taferlklassler“, statt Salzburg „die Mozartstadt“. Im fortgeschrittenen Stadium überschreiten sie dann die Grenze zur Demenz, sagen „Grautier“ zum Esel, „fahrbarer Untersatz“ zum Auto oder sogar „Säckelwart der Nation“ zu Frau Fekter.

Ich bin gegen Synonymitis zum Glück immun. Wenn Sie mich jetzt entschuldigen, ich muss meinen vierbeinigen Freund ausführen.

Guido Tartarottis Kabarettprogramm „Heini Hemmi“: Heute, Stadttheater Walfischgasse.

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