Ich war so fromm, dass mein Großvater für mich den BerufswegHeiliger“ ins Auge fasste.

von Guido Tartarotti

über das Schöne an Weihnachten

Weihnachten ist eine Zeit, in der man besonders viel reden muss, in der ich aber besonders gerne schwiege. Ich finde Schweigen ja großartig – man kann endlich den eigenen Gedanken zuhören. Das größte Beziehungsproblem unserer Zeit ist in Wahrheit nicht die Unfähigkeit der Leute, miteinander zu reden, sondern die Unfähigkeit, miteinander zu schweigen.

Aber vielleicht sehe nur ich das so, weil mir jedes Talent zum Smalltalk fehlt. Ich finde eine halbe Stunde Smalltalk wesentlich anstrengender als zwei Stunden auf der Bühne oder zwei Stunden Mountainbikefahren oder zwei Stunden „Musikantenstadl“ schauen: Ich kann das nicht, ich will das nicht, mir ist fad, ich hab Durst, ich muss Lulu, simma bald da?!

Zu Weihnachten wird mir immer bewusst, dass ich als Kind hochtalentiert zum Glauben war, was mir meine strenge katholische Erziehung nachhaltig ausgetrieben hat. Ich war ein glühend glaubendes Kind, so fromm, dass mein Großvater für mich den BerufswegHeiliger“ ins Auge fasste. Das ging sich dann nicht aus, unter anderem deshalb, weil mir dieser Gott, den er mir damals beschrieb, dieser eifersüchtige, eitle, kleinliche Oberbilanzbuchhalter des Universums, bald unsympathisch wurde.

Aber zu Weihnachten, da glaube ich jedes Jahr an Wunder. Zum Beispiel, dass sich alle Menschen auf der Welt anständig benehmen, wenigstens für eine einzige Minute! Wie würde sich diese Minute anfühlen? Gestern war übrigens doch kein Weltuntergang (ich kann das gefahrlos hinschreiben, denn falls doch, liest eh keiner diesen Text). Sie sind alle noch da, und das ist schön. Und jetzt schenke ich Ihnen noch drei Zeilen Schweigen. Frohe Weihnachten.

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