Kleider machen Meinung

über LEBEN: Sexy!?
über LEBEN: Guido Tartarotti über einen Aufsatz, Kleiderregeln und seine Deutschlehrerin.
Guido Tartarotti

Guido Tartarotti

Unlängst schickte mir ein Facebook-Bekannter die Kopie eines Aufsatzes, den ich im Jahr 1981 als 13-Jähriger für eine Deutsch-Schularbeit verfasste. Das Thema lautete: "Soll man sich in der Schule modisch kleiden?".

Das Merkwürdige daran: Ich erinnere mich noch, diesen Aufsatz geschrieben zu haben. Und daran, dass ich eigentlich schreiben wollte "Man soll sich in der Schule überhaupt nicht kleiden, sondern schon zu Hause, weil es nämlich blöd ausschaut und wahrscheinlich illegal ist, wenn man nackert in die Schule geht und sich erst dort anzieht, egal, ob modisch oder nicht", aber mich nicht traute. Und dass ich schreiben wollte: "Wer genau ist ,man’ – die Schüler, die Lehrer oder der Schulwart? Und was heißt ,modisch’ – das, was Lehrer oder Schüler dafür halten, oder gar das, was unser Schulwart modisch findet, also blauer Arbeitsmantel, Herren-Hot-Pants und Badeschlapfen?" Aber das traute ich mich auch nicht. Also schrieb ich – die Deutschlehrerin war bekannt dafür, dass sie in Aufsätzen ihre eigene Meinung lesen wollte – hin: "Wichtig ist, dass man in der Schule saubere und hygienische Kleidung trägt." Ich bekam ein Sehr Gut und lernte: Sauber, hygienisch und ohne eigene Meinung sein – das wird belohnt in dieser Schule, in der es auch allen Ernstes eine Einbahnregelung für die Stiegenhäuser gab. Ich schrieb aber auch: "Auf keinen Fall sollten Personen diskriminiert werden, die sich extravagant, ausgeflippt oder versandelt kleiden." Und dafür gab es noch ein Plus oben drauf: Von der sauberen, hygienischen Seite aus für milde Toleranz gegenüber den Unsauberen und Unhygienischen zu plädieren, das galt an dieser Schule als Angepasstheit mit Zierleiste, also als unwiderstehlich.

Warum mein Facebook-Bekannter diesen elendsschlechten Aufsatz 31 Jahre lang aufhob, das wäre übrigens eine andere, interessante Frage.

www.guidotartarotti.at

guido. tartarotti(at)kurier.at

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