Fastenzeit

Guido Tartarotti

Guido Tartarotti

Alle fasten ganzjährig und brüllen ihr Fasten in die Welt hinein: Ich lebe vegan!

von Guido Tartarotti

über die Fastenzeit.

Also gut, das mit dem Essen haben wir besprochen, reden wir jetzt übers Fasten. Jesus sagte ja, wer fastet, der soll es sich nicht anmerken lassen. Wer mit entsagungsvollem Gesicht durch die Gegend hatscht, der macht sich a) der Eitelkeit schuldig und hat b) seinen Lohn schon kassiert, in Form des schlechten Gewissens der anderen. Er kann daher im Himmelreich sein Fasten nicht mehr gegen zwei Millionen Jahre Aufenthalt in der Präsidentensuite eintauschen. Der war schon gescheit, der Jesus.

Heute wird ja nicht weniger gefastet als früher. Im Gegenteil: Alle fasten ganzjährig und brüllen ihr Fasten in die Welt hinein: Ich lebe vegan! Ich verzichte auf Flugreisen! Ich schreibe, spreche und denke nur noch mit Binnen-i! Ich ernähre mich von sanft geschlachteten, glücklichen Dörr-Zwetschken aus Fair-Trade-Bodenhaltung! Alle sind rund um die Uhr am Verzichten, stellen Fotos davon auf Facebook und konsumieren das Gefühl der Überlegenheit, von dem sich jeder eitel Fastende ernährt. Askese und Tugend können süßer schmecken als Honig.

Man muss schon im Luxus leben, um sich soviel Verzicht leisten zu können. Wie haben wir das früher ausgehalten? Wir haben – seien Sie achtsam, zwischen Realität und Ironie befindet sich ein Spalt! – ja nichts gehabt! Nicht einmal Bulgur oder eine Laktoseintoleranz und schon gar kein Smartphone, um darauf zu verzichten und unter dem Verzicht dekorativ zu leiden.

Idee: Können wir, nur bis Ostern, auf zwei Modebegriffe verzichten? Auf „Allergie“ und „Sucht“? Jeder, dem heute einmal der Popsch juckt, hat sofort eine „Allergie“. Und jeder, der eine Verhaltensoriginalität nicht so ganz im Griff hat – Einkaufen, Schokoladeessen, Sex – hat eine „Sucht“, und verdient daher Aufmerksamkeit und ei-ei. Eitelkeitsfasten, das wär doch einmal was. Wird aber nicht leicht, fürchte ich.

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