Das schmeckt nach Kindheit

Guido Tartarotti

Guido Tartarotti

Als Kind war ich eine enorme Zicke, wenn es ums Essen ging.

von Guido Tartarotti

über Essen und Erinnerung

Warum schmeckt uns manches und anderes nicht? Ich denke, es hat mit Erinnerungen zu tun.

Als Kind war ich eine enorme Zicke, wenn es ums Essen ging. Ich wollte kein Brot mit Rinde essen, Fleisch sowieso nicht, auch keine Fischstäbchen (bzw. nur, wenn sie mit Kartoffelpüree und Ketchup zu Matsch verrührt worden waren), auch kein Obst, Frankfurter Würstel nur nach Entfernung der Schale, vom Twinni nur den grünen Teil und Saft nur lauwarm. Dafür aß ich sehr gerne Spinat und Karfiol. (Karfiol mag ich auch heute noch, vor allem, weil er so lustig heißt – Karfiol ist ein wunderbar blöd klingendes Wort. Man kann es sich beim Spazierengehen wie ein Mantra vorsagen und kommt dabei in eine heitere Stimmung. Irgendwann werde ich einen Hund Karfiol nennen.)

Eines Tages kam ich mit meiner Mutter am Sonntagabend schwerst hungrig aus dem Skiurlaub nach Hause, und alles, was wir vorrätig hatten, waren altes Brot und Eier. Also gab es Eierspeise mit hartem Brot ohne Butter – etwas, das ich unter normalen Umständen empört von mir gewiesen hätte. Zu meiner Verblüffung schmeckte das Zeug himmlisch gut, und mein Mütterlein sprach die weisen Worte: „Ja, Hunger ist der beste Koch.“ Bis heute liebe ich Eierspeise und vor allem hartes Brot – ich schneide sogar extra Brotscheiben ab und lasse sie trocknen, um ein wenig die Erinnerung an damals zu schmecken.

Genau deshalb liebe ich es, die am Nachmittag unangerührt zurückgebrachten Jausenbrote meiner Kinder zu essen. Das Aroma, wenn Jausenbrote ein paar Stunden Zeit hatten, in den Schultaschen zu reifen, und Brot, Butter, Käse und Jausenbrotpapier bereits eine innige aromatische Beziehung eingegangen sind – das schmeckt nach Kindheit.

Kommentare