Thujenhecke mit Seitenteilen

Was Mark Twain und Tom Sawyer zum Thema Zaun zu sagen haben.
Guido Tartarotti

Guido Tartarotti

Wenn ich das Wort „Zaun“ höre, muss ich sofort an Tom Sawyer denken. Der wundervolle Mark Twain beschrieb, wie Tom von seiner Tante dazu gezwungen wird, strafweise ihren Zaun zu streichen. Als ihn seine Spielkameraden deshalb verspotten, gelingt es ihm, ihnen vorzumachen, dass Zaunstreichen geradezu ein Privileg darstellt. Neugierig geworden, bezahlen sie ihn schließlich sogar dafür, dass sie an seiner Stelle den Zaun streichen dürfen. Als ich diesen Text als Kind las, war das wie ein Erleuchtungserlebnis – ich begriff den Unterschied zwischen Müssen und Dürfen. Und damit den größten Teil vom Wesen des modernen Menschen, der mit Arbeit, die ihn nicht freut, Geld verdient, mit dem er am Abend im Fitnesscenter dafür bezahlt, dass er Gewichte heben darf.

Das Wort „Zaun“ ist derzeit umstritten, es ist ein typisches „Four-letter-word“, manche wagen nicht, es in den Mund zu nehmen und sagen stattdessen „bauliche Maßnahme“ oder „Tür mit Seitenteilen“. Das ist ein Wink mit dem Baulichemaßnahmenpfahl: Man will eben keinen Konflikt von der Tür mit Seitenteilen brechen. In Wahrheit gäbe es für das Zaunproblem eine ganz einfache österreichische Lösung: Statt dem Zaun stellen wir Thujenhecken auf. Oder eine Lärmschutzwand. Oder ein sehr großes Billakassenförderbandwarentrennholz (allerdings ruft dann vermutlich sehr bald jemand „Zweite Grenze!“).

Ein Zaun hat ja vor allem einen Sinn: Den Pfosten Beschäftigung zu geben. Oder, mit den Worten von Roger Waters ausgedrückt: All in all you’re just another brick in the zaun.

Ein Zitat von Mark Twain geht übrigens so: „Erheblich verbessern ließe sich das Niveau der Konversation durch den häufigen Gebrauch dreier Wörter: Ich weiß nicht.“

Kommentare