Ka Schnur, i hob ka Schnur

Das Aufhängen ist gar nicht so leicht.
Guido Tartarotti

Guido Tartarotti

"I hob ka Schnur!, jammerte der Mann.

„Ka Schnur hob i, ka Schnur ...“ Es klang fast wie ein Wienerlied. (Das Wienerlied ist ja nicht ohne Grund nur zwei Buchstabendreher vom Weinerleid entfernt ...)

Wie viele jammernde, zeternde, schimpfende Österreicher wiederholte der Mann seine Klage in kunstvoll variierten Schleifen: „Ka Schnur, ka Schnur, i hob ka Schnur, hob i, ka Schnur hob i, ka Schnur.“ Thomas Bernhard hat diesen Stil perfektioniert, in dem es naturgemäß auf ein Schlüsselwort ankommt – bei Bernhard z. B. „Brandteigkrapfen“, „Frittatensuppe“ oder „Weinflaschenstöpselfabrikant“, hier: Schnur. „Ka Schnur, i sog Ihna, i hob ka Schnur.“

Der Mann war um die Siebzig, die Augen vom Stress des Pensioniertseins ganz müde, das Gesicht von den Anstrengungen und Zumutungen des Schnurmangels gerötet. Wir standen auf dem Dachboden unseres Wohnhauses, auf dem in parallelen Bahnen Wäscheleinen von Wand zu Wand gespannt sind – 23 Wäscheleinen zu viereinhalb Metern, ergibt 103 Meter und 50 Zentimeter „Schnur“. Auf jeder dieser Wäscheleinen hing Wäsche, aber keine war zur Gänze behängt – grob geschätzt 35 Meter „Schnur“ waren noch frei.

Der Mann wies mit einer anklagenden Geste in den Raum: „Ka Schnur, i hob ka ...“ Da ist doch noch genug Platz, unterbrach ich ihn, und hängte meine Wäsche auf die freien Stellen. Er sah mich fassungslos an, schüttele empört den Kopf und sagte: „A Schnur, i brauch doch A EIGENE Schnur“, und ging ab.

Da begriff ich: Offenbar gilt es in diesem Haus als Tabubruch, sich seine Schnur mit anderen zu teilen, seine Wäsche neben Fremdwäsche zu hängen. Vermutlich würde der Nachbar am liebsten einen Zaun zwischen seine Schnur und die nichtseinen Schnüre stellen oder zumindest eine Thujenhecke.

Wenn alle Stricke reißen, häng ich mich auf, sagte Nestroy. Aber nur, wenn wir eine freie Schnur zum Hängen finden. Sage ich.

Guido Tartarottis neues Kabarettprogramm "Selbstbetrug für Fortgeschrittene" hat am 2. September im Niedermair in Wien Premiere.

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