Wie riecht unser Leben?

Es wird wieder Sommer werden, und das Leben wird wieder gut schmecken.
Guido Tartarotti

Guido Tartarotti

Ich mag den April (den vierten Monat im Jahr, der stets nach eigenem Gutdünken handelt, wie Thomas Glavinic eine Romanfigur sagen lässt). Ich mag ihn, weil er ein Versprechen gibt: Es wird wieder Sommer werden, die Tage werden lang und heiß und gelb sein, und in der Nacht werden wir ins Gewitter schauen, und das Leben wird wieder gut schmecken. Davon abgesehen riecht der April gut. Der Turnsackerl-Mief des Bärlauch wird überdeckt, das Land riecht nicht mehr nach den Schweißfüßen Satans, sondern nach Flieder (früher einmal parfümierte der Flieder den Mai, jetzt ist es der April). Nichts auf der Welt riecht so gut wie Flieder, leider blüht der Flieder nur kurz.

Warum lösen Gerüche die stärksten Erinnerungen aus, obwohl doch der Geruchssinn bei uns so schwach ausgebildet ist? Wir riechen ein bestimmtes Putzmittel und denken: Großmutter! Wir riechen „Tabac“ und denken: Großvater! Wir betreten eine Schule, riechen Bodenreiniger, Kreide, Pubertät und Angst und denken: Mathematikschularbeit, Horror, Flucht! Wir riechen Zweitaktbenzin und denken: Hoffentlich zerstört der Helm nicht meine neue Frisur, hoffentlich findet niemand mein neues Sakko mit den Schulterpolstern peinlich, hoffentlich ist die S. aus der A-Klasse auch auf der Party, hoffentlich spricht sie mit mir, nein, hoffentlich nicht, sonst sage ich nur „Krxlstkrmpft“. Wir riechen ein bestimmtes Shampoo und denken: Eigentlich schön, dass die S. aus der A-Klasse damals doch mit mir geredet hat, auch wenn sie zwei Monate später aufgehört hat, mit mir zu reden, wegen diesem Trottel, dem Peter, aus der Siebenten, der später so blad geworden ist und heute aus dem Mund nach Ungesagtem riecht und Menschen, die er widerlich findet, Lebensversicherungen verkauft.

Gedanke: Wie würde unser ganzes Leben riechen, alle Düfte unseres Lebens, zusammengefasst in einem Parfüm? Und würden wir verrückt werden, wenn wir daran röchen?

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