Ich wäre Weltmeister geworden

Warum ist Fußball kein Sport für einen Mann und ein Wildschwein?
Guido Tartarotti

Guido Tartarotti

Wenn wir Fußball spielen wollten, aber nur zu dritt waren, dann machten wir das so: Einer war der „unparteiische Tormann“, die beiden anderen spielten gegeneinander, auf ein Tor. So traten wir ganze lange Sommertage mit den Füßen, auf dem betonierten Vorplatz der Feuerwehr. Zwar gab es in der Parkstraße riesige Wiesenflächen, aber in der gesamten Siedlung galt: Das Betreten des Rasens ist strengstens verboten! Die alte Frau S. saß am Fenster, und wenn sie ein Kind beim Betreten des Rasens sah, brüllte sie „Ich schreib dich auf die Liste!“. „Die Liste“ schickte sie dann am Ende jedes Monats an die Hausverwaltung. Vermutlich existiert in den Gewölbekellern der Hausverwaltung noch heute ein gigantisches Kinderrasenbetretungslistenarchiv der Parkstraße 37.

Mein Problem mit dem Dreimann-Fußball war: Es waren immer noch zu viele Menschen auf dem Platz. Ich bedauerte, dass Fußball kein Einpersonensport ist. Am liebsten spielte ich Fußball allein, auf dem Bett in meinem Kinderzimmer. Ich war Tormann, Verteidiger, Mittelfeldregisseur, Stürmer, außerdem Trainer, Publikum und Schiri in einer Person, zudem noch die ganze gegnerische Mannschaft und Radiokommentator. Ich hatte ein Stofftier, ein Wildschwein, das musste den Ball darstellen (ich hoffe, es hat mir verziehen). Auf meinem Bett gelangen mir präzise 40-Meter-Flanken, hinreißende Doppelpässe mit mir selber und Volleyschüsse ins Kreuzeck, aber ich hielt auch Unhaltbare, entschärfte Elfmeter und drehte Kopfbälle über die Querlatte. Ich spielte (wie später der Künstler Massimo Furlan) berühmte Partien nach und erfand noch berühmtere.

Wäre der Fußball ein Spiel, in dem es darum geht, ein Stoffwildschwein auf einem Bett übers Feld der Fantasie zu dribbeln – ich wäre Weltmeister geworden.

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