Die Tiefkühlverschwörung
Die menschgewordene Vertrauenskrise steht vor mir.
Sie steht vor dem Supermarkt-Tiefkühlfach und brüllt: „Des derf ja ned woahr sei! Ois, wos guad is, miassn de hi mochn!“, brüllt sie voller Zorn und Verzweiflung. „Wos isn leicht?“, grunzt der Ihrige. Darauf sie: „Na sixt des ned? In de Grammöknedl haun's jetzt an Kimme eine. Nimma zan fressn!“
Und ich habe plötzlich das Gefühl einer Erleuchtung: Hier steht, geht, leibt, lebt sie direkt vor mir, die menschgewordene Vertrauenskrise. Sie sagt das nicht einfach so, sie glaubt das wirklich: Dass DIE tatsächlich ihr zu Fleiß Kümmel ins Essen geben, damit ihr die Grammelknödel nicht mehr schmecken.
So sieht sie sich: Als Opfer, das den Widrigkeiten des Lebens macht- und hilflos gegenübersteht, weil diese Widrigkeiten von denen gesteuert werden. DIE: Eine gesichtslose, weltumspannende Verschwörung von Konzernen, Finanzmanipulateuren, Ostküste, Freimaurern, linkslinken Gutmenschen, Schulmedizin, Chemtrailspiloten, Staatskünstlern, Lügenpresse, Bilderbergern und nicht zuletzt der Supermarkt-Tiefkühlabteilung. Diese Elite ist schuld, dass die Flüchtlinge Handys haben, dass der Ihrige soviel sauft, dass ihr die Frühpension nicht bewilligt wird, dass sie sich mit dem neuen Fernseher nicht auskennt, dass ihr Hund so stinkt und dass sie trotz Pickerl keinen Parkplatz findet. Wenn jetzt auch noch die Grammelknödel nicht mehr schmecken, ist eine Grenze überschritten.
Was kann man tun? Vermutlich sollte man sie „dort abholen, wo sie ist“ (also vor dem Kühlregal) und ihre „Sorgen ernst nehmen“, also mit ihr reden, über den Kümmel, die Arbeitslosigkeit, die Parkplätze und über diese würgende Angst, die sie nachts hilflos in die schwarze Luft starren lässt.
Ich gebe zu, dafür fehlt mir die Kraft, zumal mir plötzlich einfällt, dass ich noch Paradeiser brauche ... Ich fürchte, es wäre auch sinnlos. Sie würde trotzdem eine Partei wählen, von der sie glaubt, dass sie etwas unternimmt wegen der Grammelknödel.
Guido Tartarottis neues Kabarettprogramm "Selbstbetrug für Fortgeschrittene" läuft am 21. April in der Hinterbrühl, Anningersaal, am 28. April im Wilheringerhof, Klosterneuburg, am 6. Mai im Kulturcentrum Wimpassing, am 23. Mai im Theater am Alsergrund, am 31. Mai in der Kulisse Wien und am 8. Juni im Casino Baden.
Kommentare