Das Ende der Welt

Ich mochte diesen Sommer. Er fühlte sich an wie: Leben.
Guido Tartarotti

Guido Tartarotti

Ich fand diesen Sommer einfach perfekt.

von Guido Tartarotti

über das Ende.

Ich habe einen regelmäßig wiederkehrenden Traum: Ich stehe allein auf der Wiese im alten Rodauner Bad, es regnet und ich friere, und mir wird klar, der Sommer ist vorbei, und es ist wie sterben.

Ich weiß natürlich, dass das lächerlich ist. Erstens, weil ich etwas so altmodisch Analoges tue wie selber zu träumen – vermutlich bestellen sich all die digitalen Auskenner ihre Träume längst bei Netflix. Und zweitens, weil das Ende des Sommers für mich tatsächlich das Ende der Welt bedeutet. Wenn es nach mir ginge, hätte es immer 35 Grad und es wäre zwölf Monate lang Juli (abzüglich einer Woche Weihnachten).

Ich bin zwar in Mitteleuropa geboren, aber der Lauf der Jahreszeiten ist mir zuwider. Wenn der Herbst kommt, fühlt sich das für mich an, als würde das Leben Pause machen und erst im Juni wieder beginnen.

Wenn ich richtig gerechnet habe, war das heuer mein 50. Sommer, und ich kann mich immer seltener des natürlich sehr eitlen Gedankens nicht erwehren: Wie viele habe ich noch? Wie oft erlebe ich noch, dass der endlose Novembergatsch, den wir Herbst/Winter/Frühling nennen, wieder in den lebensrettenden Sommer übergeht?

Ich gestehe offen: Ich fand diesen Sommer einfach perfekt, er war groß und weit und heiß und roch nach gelbem Gras und nach Gewittertropfen auf warmem Asphalt. Ich habe ihn geliebt, den Sommer. Nun weiß ich aus den sozialen Medien, dass es streng verboten ist, über diesen Sommer etwas Positives zu sagen, man wird dann sofort streng abgemahnt, an die leidende Landwirtschaft erinnert, an den Klimawandel und an all jene, die unter der „unerträglichen Hitze leiden“. Dazu kann ich nur sagen: Es tut mir leid, wenn ihr den Sommer nicht mochtet, ich trage aber keine Schuld daran, ich mache das Wetter ja nicht. Und ich glaube nicht, dass es jemandem besser geht, wenn ich jetzt heuchle, dass ich den Sommer auch nicht mochte. Ich mochte ihn, sehr sogar. Er fühlte sich für mich an wie: Leben.

Guido Tartarottis Kabarettprogramm "Selbstbetrug für Fortgeschrittene" ist am 11. September im Kabarett Niedermair zu sehen, am 27. September im Theater am Alsergrund, am 29. September in der Bühne im Hof in St. Pölten und am 5. Oktober in der Stadtgalerie Mödling.

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