Bücher dagegen: Freunde

Ich fand die Welt in den Büchern ausnahmslos interessanter als die in der Realität.
Guido Tartarotti

Guido Tartarotti

Ich fand die Welt in den Büchern ausnahmslos interessanter als die in der Realität.

von Guido Tartarotti

über das Lesen.

Ich hatte schon als kleines Kind ein sehr gutes Gedächtnis für Inhalte, die ich hörte. Ich konnte daher die Bücher, die mir meine Mutter vorlas, bald auswendig. Als Fünfjähriger verblüffte ich Erwachsene, indem ich in hohem Tempo ganze Seiten Text fehlerfrei „las“. Nur meine Eltern wussten, dass ich gar nicht lesen konnte, sondern die Sätze wortgetreu auswendig wusste. (Später konnte ich das auch mit ganzen
Otto-Waalkes-Platten.) Leider kann man auf diesen Fähigkeiten keinen Berufsweg bauen, abgesehen von „Telefonjoker“.

Ich glaubte damals tatsächlich, so geht lesen – man lernt auswendig, was auf dem Papier steht. Vielleicht lesen manche Menschen ja wirklich so – vielleicht sind deshalb bestimmte Zeitungen so beliebt, weil eh immer das Gleiche drinnen steht. Als ich dann begriff, was Lesen wirklich bedeutet – dass die Buchstaben für Laute stehen, die sich zu Wörtern und Sätzen formieren – war ich zunächst enttäuscht. Dann wollte ich diese Kunst unbedingt beherrschen, die einem Zugang zu den großartigsten Geschichten gibt. Ich lernte mit fünf Jahren Lesen, zunächst mit „Otto und Eva“-Lernbüchern (kennt die noch wer?), dann mit dem KURIER (nein, das ist kein Witz). Ich fand das Lesenlernen anfangs unendlich mühsam und schwierig, dann immer leichter. Als ich in die Schule kam, konnte ich perfekt lesen – allerdings überhaupt nicht schreiben. Die Buchstaben mit der Hand leserlich nachzumalen, fiel mir schwer (in Wahrheit kann ich es immer noch nicht richtig).

Sobald ich Bücher lesen konnte, war ich für das Alltagsleben verloren – denn ich fand die Welt in den Büchern ausnahmslos interessanter als die in der Realität. Schon als Kind war ich lieber allein mit meinen Büchern, als mit anderen Kindern zu spielen. Die meisten Kinder, die ich kannte, machten mir Angst – sie erschienen mir grob, gemein und erstaunlich dumm. Die Bücher dagegen waren meine Freunde, und sie sind es heute noch.

Guido Tartarottis Kabarettprogramm "Selbstbetrug für Fortgeschrittene" ist am 24. Oktober und am 2. Dezember im Theater am Alsergrund, am 20. November in der Kulisse Wien und am 9. Jänner 2018 im Orpheum Wien zu sehen.

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