Weltliteratur
Wenn das Leben nicht wäre, wäre das Denken kein Problem.
Die alte Frage, ob man einen sinnvollen Beitrag zum Geistesleben einer Epoche leisten kann, ohne über ausreichend Personal für die ordentliche Führung eines Haushaltes und die Organisation des täglichen Lebens zu verfügen, würde ich aufs Ganze gesehen so beantworten: Wenn das Leben nicht wäre, wäre das Denken kein Problem. Ich glaube zum Beispiel nicht, dass dem Geheimrat Goethe die kalenderspruchpralle Szene in Margarethes Garten eingefallen ist, während er den unfassbaren Mengen Biomüll, die eine alte Linde täglich absondert, mit Rechen und Laubsack zu Leibe gerückt ist. Wird eher der Gärtner gemacht haben. Der alte Herr hat, was man hört, nicht einmal seine Rechnungen selbst geschrieben. Da lässt sich dann ein wenig leichter Universalgelehrter, Chefintrigant und Diwandichter sein, als wenn man alles selber machen muss. Oder glauben Sie, dass Schiller, als er sich Wallensteins Lager ausdachte, vom Abschleifen alter Europaletten zwecks Vintage-Gartenmöbelproduktion auf seiner Ziegelterrasse inspiriert wurde? Ich möchte nicht behaupten, dass die Weltliteratur bereits jetzt um ein bedeutendes Werk reicher wäre, würde ich nicht von den beiden Generationen Designerinnen, mit denen ich eng zusammenarbeite, zu Arbeiten gezwungen, die man nicht einmal seinem liebsten Vorstand wünschen würde.
Aber ein Vorwort, das Seinesgleichen sucht, könnte in der Zeit wohl entstanden sein. Herman Melvilles Bartleby, der Schreiber, hat sich irgendwann zur Totalverweigerung entschlossen: „I’d rather not“, war alles, was er sagte, bis er nichts mehr sagte. Ich sag’ das mal so offen, denn lange wird sich ohnehin nicht mehr verheimlichen lassen, dass es mit der Literatur nicht zum Besten steht: Dem Bachmann-Preis geht’s an den Kragen und ich hänge an der Schleifmaschine.
michael.fleischhacker@kurier.at
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