Das Jahr war eigentlich wie immer.

von Michael Fleischhacker

über seinen Aufstieg zum freizeit-Kolumnisten und das restliche Jahr 2012.

Man hat wissen lassen, dass man diesmal geneigt wäre, auf religionswissenschaftliche Schwurbeleien aus meiner Tastatur zu verzichten, aber gerne wissen möchte, wie das Jahr so war, ganz persönlich. Nu, eh. Abgesehen davon, dass ich nach acht Jahren als Chefredakteur der „Presse“ zum freizeit-Kolumnisten aufgestiegen bin, war es eigentlich wie immer. Ich hole meinen Jüngsten vom Kindergarten ab, freue mich, dass der Älteste sich doch entschlossen hat, aus Rumänien zurückzukehren, verliere gegen den Zweitjüngsten im Schach und bringe Fräulein Tochters Computer zur Reparatur. Ich lese dicke Bücher wieder, die ich zuletzt als Student gelesen habe, plane die mediale Weltrevolution und nähe Vorhänge zurecht, wenn ich mit dem Schuheputzen fertig bin. Auf so unspektakuläre Weise hat sich mein Leben bisher noch nie von Grund auf geändert. Ich weiß jetzt, dass der direkte Umstieg vom TGV auf die Mariazellerbahn nicht die Spur eines technischen Problems darstellt und komme auch langsam mit der Tatsache zurecht, dass ich bis auf Weiteres den innigen Kontakt mit den Spindelmännern und Faysals entbehren muss. Dass ich meine Karriere als Wichtiger beendet habe, ohne mit Laura Rudas ein Vieraugengespräch geführt zu haben, lässt mich naturgemäß und retrospektiv an meiner Auffassungsgabe zweifeln, aber alles macht eben niemand richtig. Dass Ali Rahimi dieses Jahr aus protokollarischen Gründen – Schuhputzer sind selten very impertinent – auf die Einladung meiner Person zum Gutmenschentrinken abgesehen hat, verkrafte ich bereits ohne Konsultation meines Therapeuten. Ein alter Freund, Soziologe, hat mich gebeten, für die Intellektuellenzeitschrift, die er herausgibt, einen Text zum Thema „Schöner scheitern“ zu verfassen. Ich fühle mich verstanden.

michael.fleischhacker@kurier.at

Kommentare