Krankheit als Weg
Das war die Zeit, in der sich manche deutschen Verlage in Esoterikapotheken verwandelt haben.
Hatten da nicht irgendwelche Schwachköpfe Anfang der 1980er-Jahre einen Schinken namens „Krankheit als Weg“ herausgebracht? Irgendwas wie Dick und Doof, Dahlke und Dethlefsen, was weiß ich. Das war die Zeit, in der sich manche deutschen Verlage in Esoterikapotheken verwandelt haben, die der braven katholischen Hausfrau das Kamasutra als die eigentliche Botschaft Jesu verscherbeln wollten. Oder eben Krankheit als Weg. Nein, meine Herren, Krankheit ist kein Weg. Krankheit ist eine Sackgasse. Wenn ich mich recht erinnere, haben Dick und Doof damals sogar erklärt, Krankheit sei ein Hinweis darauf, dass man es bei der Überwindung der Polaritäten auf dem Weg zum ganzheitlichen Ich an Beflissenheit habe fehlen lassen. Was, wenn ich nicht meine Polaritäten überwinden will, sondern nur meinen Husten und, wenn’s leicht geht, mein Fieber? Bellender Reizhusten als Weg wohin? In den Wahnsinn? Nachvollziehen kann ich an dem Ganglienmüll eigentlich nur das Geschäftsmodell: Da liegt einer tagelang in der Sackgasse, die Krankheit heißt, und glaubt, dass er jetzt endlich einmal zum Lesen kommt. Während das Fieber noch wütet, ist daran nicht zu denken, und wenn es gewütet hat, ist man so schwach, dass der ungeübte Leser echte Bücher ohnehin nicht verkraftet. Warum also nicht dem Patienten etwas anbieten, das annähernd null intellektuelle Kapazität absorbiert und trotzdem so tut, als ob es einen Sinn ergäbe? Nichts dagegen einzuwenden. Wer kann, soll den Menschen betrügen, er will es nicht anders. Ich selber habe es diesmal mit einer Rosskur probiert: Meister und Margarita in der neuen, sehr wienerischen und großartigen Übersetzung von Alexander Nitzberg. Michail Bulgakow: Das ist ein Weg. Der Dick- und Doof-Schmarren: Eine Krankheit.
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