Kitschversicherung
Der Gottesehrgeiz, den die Abrahamskinder geerbt haben, tut sich mit dem Eierkuchen-Frieden schwer.
Denkende Gemüter überkommt zwei, drei Tage vor Weihnachten, also ungefähr jetzt, das Bedürfnis nach einer Kitschversicherung. Für eine Polizze, die einem das kitschfreie Denken von Weihnachten garantiert, wäre man bereit, echtes Geld zu zahlen. Die Polizze existiert. Sie wurde von Thomas Mann ausgestellt und hört auf den Namen „Josef und seine Brüder“. Angesichts der Tatsache, dass es sich um intellektuelles Vollkasko handelt, ist sie sogar in der schweinsledernen Ausgabe sehr wohlfeil. Weihnachten, wie wir es kennen, kommt darin naturgemäß nicht vor, denn der letzte der vier Romane endet mit dem Begräbnis des Stammvaters Jakob. Thomas Manns Kernbegriff für das Geschehen zwischen den Abrahamskindern und ihrem Gott ist der „Gottesehrgeiz“, den der Mondwanderer aus Ur in Chaldäa an den Tag legte. Die Idee, dass Gott, der Menschen so sehr bedarf, dass er einer von ihnen werden muss, ist keine atheistische Polemik, sondern unmittelbare Folge des religiösen Starrsinns, den der Urvater an den Tag legte: Er hat den Höchsten, dem allein er dienen wollte, gewissermaßen hervorgedacht aus der Menge der Ortsbaale und Fruchtgötter, von denen der Alte Orient wimmelte. Billiger wollte und konnte er es nicht geben. Das hat ihm und seiner Sippe über die Jahrtausende ausreichend Probleme bereitet. Denn Monotheismus, und dahin führt der Gottesehrgeiz notwendigerweise, bedeutet Krieg. Darum ist auch die Idee, dass Weihnachten das Fest des Friedens sei, ein wenig eigenwillig. Friedlich sind die Baumumarmer, Allesversteher und Wurschtigkeitstoleranzler. Der Gottesehrgeiz, den die Abrahamskinder geerbt haben, tut sich mit dem Eierkuchen-Frieden schwer, weil er sich schwer zufrieden gibt. Aber versuchen Sie einmal im Alltag, bei Ihren Ansprüchen zu bleiben und trotzdem mit allen gut auszukommen.
michael.fleischhacker@kurier.at
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