In Rage
Ich weiß jetzt, dass ich mich nur dann in Rage rede, wenn mich eine Sache nicht interessiert.
Vor kurzem saß ich in einem Radiostudio, um zu diskutieren. Ideologisches Zeug und Höflichkeit waren die Themen, darum hatten sie mich wohl auch eingeladen. Während ich also höflich vor mich hin ideomonologisierte in diesem Studio, musste ich mich zusammenreißen, um nicht laut loszulachen. Ich hatte mich gerade ein klein wenig in Rage geredet, als mir plötzlich klar wurde, wie ich funktioniere. Sie könnten sagen, dass das mit Mitte 40 aber auch wirklich kein einziges Jahr zu früh passiert, und ich würde Ihnen, höflich und gelassen, antworten: Scheißegal, wann es passiert, wenn es nur passiert. Aber das ist eine andere Geschichte.
Na jedenfalls, ich, gerade in Rage, das Mikrofon vor mir, die Gesprächspartner mir gegenüber und links und rechts von mir, denke mir: Oida. So sagt man jetzt, sagt man mir. Heißt so gut wie alles, von „Bist du deppert“ bis „Genau so ist es.“ Bei mir heißt es: Ich weiß. Ich weiß jetzt, dass ich mich nur dann in Rage rede, wenn mich eine Sache nicht interessiert. Interessiert mich etwas, kann ich mich damit endlos und in schönster Ausgeglichenheit beschäftigen, Einwände höflich zur Kenntnis nehmen und meine Position da und dort sanft revidieren. Interessiert es mich nicht und ich fühle mich trotzdem genötigt, mich damit zu beschäftigen – weil ich zum Beispiel gerade in einem Radiostudio sitze und die Feststellung, dass mich das jetzt aber überhaupt nicht interessiert, nicht wirklich eine Option ist –, rede ich mich so weit in die Sache hinein, dass ich am Ende selber glaube, es sei nicht nur interessant, sondern eine Frage von Sein oder Nichtsein.
Lachen musste ich damals im Studio, weil ich in dem Moment das sichere Gefühl hatte, dass nicht ich selbst dort sitze, sondern mein dreijähriger Sohn. Der macht das genau so wie ich.
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