Glück und Räucherstäbchen-läden
Das Glück ist die Abwesenheit von Schmerz
Wer in dem Zustand ist, in dem ich bin – physisch abgewrackt, psychisch angeschlagen, intellektuell an der Kippe –, der hat traditionellerweise zwei Möglichkeiten: Er kauft sich in irgendeinem Räucherstäbchenladen Weisheitsliteratur, deren Lektüre ungefähr so hilfreich ist, wie die Entfernung eines Weisheitszahns. Oder er liest Andrzej Stasiuks "Kurzes Buch über das Sterben" und streut in die Lektüre ein paar von Martin Walsers vulgo Meßmers "Momenten" ein. Zum Beispiel den: „Ich bin unbereit: Lasse um mich herum einen Gürtel aus Leere entstehen. So geborgen war ich noch nie.“ Denn irgendwo da mittendrin, zwischen dem erdigen Ende und dem blumigen Nirgendwo liegt es, das gute Leben. Schon interessant, dass unsere prinzipiellen Vorstellungen davon sich seit zweieinhalbtausend Jahren nicht wirklich geändert haben. Natürlich war Aristoteles etwas weniger konkret als etwa John Maynard Keynes und Virginia Woolf, die meinten, für ein gutes Leben bräuchte es ungefähr 500 Pfund im Jahr. Und es gab immer den Unterschied zwischen eher aktiven und eher kontemplativen Konzeptionen des guten Lebens. Auch in China, wo Konfuzius eher den rührig-gebildeten Beamten im Auge hatte, Laotse im Taoteking eher den Einsiedler.
Heutzutage reden wir eher von „Glück“ als vom guten Leben, obwohl Nietzsche uns gewarnt hatte: Der Mensch im Allgemeinen, sagte er, strebe nicht nach Glück, das tue nur der Engländer (eine Anspielung auf Jeremy Benthams greatest-happiness-principle). Ich selbst gehöre eher zu den Anhängern der "Privationstheorie": Augustinus und Thomas von Aquin sagten, das Böse habe kein eigenständiges Sein, es sei nur ein Mangel an Gutem (privatio boni). Das ist natürlich reine Spekulation. Ich sage: Das Glück ist die Abwesenheit von Schmerz. Das kann ich beweisen.
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