Das Wahre, das Schöne und das Gute
Einer, der von Hausfrauen gelesen und auch noch schön gefunden wird, kann kein Guter sein.
Richard David Precht, ein Philosoph, den außer mir und einigen Hunderttausend Hausfrauen kaum jemand mag, hat sich kürzlich „geoutet“, wie man so sagt. Als Junge, sagt der Autor von „Wer bin ich, und wenn ja, wie viele?“, habe ihn niemand schön gefunden. Jetzt schon. Sag ich ja immer: Das Maximum, das wir uns in und von dieser Welt erwarten dürfen, sind ein paar wenige Fälle von ausgleichender Ungerechtigkeit. Dass man Precht jetzt schön findet, ist übrigens der Grund dafür, dass man ihn in den Feuilletons nicht mag. Einer, der von Hausfrauen gelesen und auch noch schön gefunden wird, kann kein Guter sein. Man wird deshalb auch keinen einzigen Feuilleton-Zweizeiler finden, in dem Richard David Precht nicht ohne Angabe von Gründen als „umstrittener“ Philosoph bezeichnet wird.
Aus der Feuilleton-Sicht ist das sowohl intellektuell schlüssig als auch emotional nachvollziehbar: Der Normalfeuilletonist neigt zu Glatze, Dicklichkeit und schlechtem Kleidergeschmack, außerdem versteht er nicht genug von seiner Materie, um darüber in einer Weise schreiben zu können, die auch Hausfrauen mögen. Er muss also, um sein emotionales Überleben zu sichern, sein Lebtag lang gegen die alte, in der griechischen Philosophie zum Lehrsatz gewordene Überzeugung ankämpfen, dass das Schöne auch das Gute sei. Auch kein schönes Dasein.
Jenseits der Grenzen des feuilletonistischen Paralleluniversums ist es jedenfalls noch immer so, dass sich hübsche Menschen leichter tun, weil man sie auch für die besseren hält. Das ist hart, aber ungerecht. Genau zur Beseitigung solcher Ungerechtigkeiten wurde das erfunden, was wir heute „Politik“ nennen, also die Kunst, aus dem wenigen Schönen und dem vielen Hässlichen, das um uns herum existiert, das durchschnittlich Unansehnliche zu formen. Ein Erfolgsprojekt, wie jeder sehen kann.
michael.fleischhacker@kurier.at
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