Zwischen Pottendorf und Jakarta

Exotisches Comeback: Zum dritten Mal holten die Indonesier den Ex-Austrianer Alfred Riedl (links) als Teamchef zurück.
Ein Weltrekordler unter den Fußball-Weltenbummlern.
Wolfgang Winheim

Wolfgang Winheim

Alfred Riedl schickt sich an, Weltrekordler unter den Fußball-Weltenbummlern zu werden.

von Wolfgang Winheim

über den Fußball-Weltenbummler Alfred Riedl

Dass er einst mehrfacher belgischer Schützenkönig war, wird der heutigen Kicker-Generation nur mäßig imponieren. Und dass er sich in nicht weniger als fünf außereuropäischen Ländern den Teamchef-Job antat, löst wiederum unter Wiener Kollegen, die schon in St.Pölten Heimweh bekommen, eher Unverständnis aus.

Alfred Riedl schickt sich an, Weltrekordler unter den Fußball-Weltenbummlern zu werden. Dazu passt der Schauplatz seines aktuellen Amtsantritts: Papua im Südpazifik, 13.200 Kilometer von Pottendorf entfernt.

Nachdem Riedl, 64, schon zum dritten Mal von asiatischen Unterhändlern an seinem niederösterreichischen Wohnort telefonisch aufgestöbert und zum Flug nach Indonesien überredet werden konnte, ist er erneut Teamchef im mit 246 Millionen Einwohnern größten islamischen Land der Welt. Dort, wo er schon einmal zum „Trainer des Jahres“ (aller Sportarten) gewählt worden war, bevor er wenige Tage danach einer politisch motivierten Absetzung der Verbandsspitze zum Opfer fiel.

Zwischen Pottendorf und Jakarta

Insel-Hüpfer

Inzwischen scheiterten in Jakarta alle seine Nachfolger (darunter bekannte wie der niederländische Ex-Vizeweltmeister Wim Rijsbergen). Inzwischen haben die Polit-Rebellen die Macht wieder an die alte Führung abtreten müssen. Und inzwischen hat sich sportlich dermaßen viel geändert, dass Riedl im aus 17.508 Inseln bestehenden viertgrößten Staat der Welt (nach Einwohnern) hin- und herjetten muss, um neue Spieler zu sichten. Damit hat er am Donnerstag in Papua begonnen, zumal dort Meisterklub Persipura zu Hause ist. Gestern flog er weiter nach Ost-Java. Heute ist die Rückkehr nach Jakarta vorgesehen.

Pokalsieg bei der südostasiatischen Mini-WM (AFF-Cup) lautet die Zielvorgabe für Riedl. Sollte die mit der Nummer 162 der Welt erreicht werden, verlängert sich sein Vertrag automatisch um drei Jahre. So lange hatte es Riedl bei Fußball-Dienstgebern früher nur selten ausgehalten. Schon gar nicht in Österreich, wo er 1990 nach der Färöer-Blamage die Nachfolge von Josef Hickersberger angetreten hatte. „Der Teamchef-Job kam damals zu früh für mich. Mir fehlte die Erfahrung.“ Heute kann er über mehr Abenteuer als jeder andere erzählen.

In Kairo brachte er den ägyptischen Kultklub Zamalek (70.000 Mitglieder) ins Finale des Afrika-Cups, nachdem zuvor in Schwarzafrika mitten in einem von Rebellen dominierten Dschungel hatte gesiegt werden müssen.

In Kuwait probten er und Gattin Yola in der Botschaft schon das Anlegen von Gasmasken, ehe die beiden, als der Donner von Saddam Husseins Raketen zu hören war, mit der letzten Maschine Richtung Dubai ausgeflogen wurden und Riedls Teamchef-Tätigkeit im Ölstaat damit zu Ende war.

Im Ras al Khaimah war sein Klubchef zugleich der oberste Scheich und Richter des arabischen Emirats, aber ehrlich genug, um ihm zu gestehen, dass er Freitags viel lieber Fußballspielen als öffentlichen Strafmaßnahmen gegen Diebe beiwohne.

In Teheran lernte er „wunderbare Menschen“ kennen, doch zugleich fühlte er sich als oberster iranischer Supervisor dermaßen bespitzelt, dass er im verwanzten Hotelzimmer jede handgeschriebene Notiz wieder mit der Schere zerschnitt und in der Toilette versenkte.

Von den Palästinensern wurde Riedl zum allerersten Teamchef bestellt (und speziell nach einem 1:1 gegen Irak in Katar) geschätzt, ohne sich je im Gazastreifen aufgehalten zu haben.

In Laos schulden sie ihm heute noch 10.000 Dollar, dennoch schwärmt er von Vientiane als der Hauptstadt, „in der es sich am angenehmsten leben lässt“.

Im ungleich größeren Vietnam (70 Millionen) hatte Riedl davor Heldenstatus genossen, der darin gipfelte, dass sich 170 Vietnamesen unentgeltlich als Organspender anboten, nachdem bekannt geworden war, dass ihr Teamchef eine Niere benötigt.

Religion Fußball

Gesundheitlich plagen Riedl seit der erfolgten Transplantation keine Probleme. Nur unehrliche Funktionäre gehen ihm an die Nieren.

Dass es bei der Arbeit mit Moslems deren Gebräuche zu achten gilt, stört Riedl nicht. Im Gegenteil: Ihm imponiert in Indonesien, dass bei gemischten Teams die Christen während des Ramadan in Gegenwart moslemischer Kameraden aus Solidarität nie trinken.

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