Zwischen El Clásico und El Rustico

Wolfgang Winheim

Wolfgang Winheim

Hierzulande aber reicht’s seit Stammtisch-Generationen nur zur gleichen Analyse.

von Wolfgang Winheim

über Derby-Unterschiede

Salzburg im Champions-League-Finale. Noch ehe das gegen den Real-Bezwinger Benfica Lissabon gespielt ist (morgen ab 17 Uhr ORF Sport+), mengen sich kritische (typisch österreichische?) Stimmen in die Begeisterung um die Jungbullen.

Argument A: Es handle sich nur um die U 19. Stimmt. Bis in die Beletage der großen Großen ist es noch ein weiter Weg.

B: Das 2:1 gegen Barcelona war Zufall. Stimmt nicht. Salzburg hatte am Weg ins Halbfinale schon Paris, ManCity und Atlético Madrid eliminiert.

C: Nachwuchsbewerbe haben auf der iberischen Halbinsel keinen hohen Stellenwert. Stimmt ebenfalls nicht.

Spaniens Sporzeitungen berichteten umfangreich über den Salzburg-Sieg, auch wenn an diesem Wochenende El Clásico alles überstrahlt. Barcelona steht heute Abend im Madrider Bernabeu-Stadion gegen Real unter Siegzwang.

Vier Stunden vorher wird das Wiener Derby angepfiffen, das einem vergleichsweise wie El Rustico vorkommen kann. Doch so eine Polemik ist unfair.

Während Europas Topklubs die Besten der Welt mit obszönen Summen ködern, verlieren Wiens Traditionsvereine Jahr für Jahr einen (oder mehrere) ihrer Leistungsträger. So ließe sich aus Derby-Kickern der jüngeren Vergangenheit eine Elf bilden, die auch in einer bedeutenderen Liga bestehen könnte.

In ihren Wien-Zeiten war auch den mittlerweile zu Legionären gereiften Spielern fehlende Kampfbereitschaft nachgesagt worden. Ein Vorwurf, der die Nachfolger von Sabitzer, Hosiner & Co mit noch viel mehr Wucht trifft. Nur im Falle einiger weniger, an Selbstüberschätzung leidenden Konjunktiv-Stars besteht er zu Recht.

Die Wahrheit: Die Perfektion am Ball im Sprint ist es, die Messi, Ronaldo, Iniesta, Robben vom Rest der Kickerwelt unterscheidet. Ballannahme und Weitergabe plus Körperdrehung erfolgen oft in einer einzigen Bewegung, wie man sie schon in Teams ab dem ersten englischen und deutschen Tabellendrittel selten sieht.

Hierzulande aber reicht’s seit Stammtisch-Generationen nur zur gleichen Analyse: Sie verdienen zu viel und rennen zu wenig. Dass auch in der österreichischen Liga pro Spieler und Spiel bis zu drei Kilometern mehr gelaufen wird als im letzten Jahrtausend, fällt dem Fan schwer zu glauben. Vor allem, wenn es bei Rapid und Austria so gar nicht läuft.

Austria-Kapitän Alexander Grünwald und Rapids Kreativhoffnung Louis Schaub gelten mit durchschnittlich 12 Kilometern als die Marathonmänner ihrer Klubs. Bei der Salzburger Kampfmannschaft, die mit 275 Sprints (=über 25 km/h) in einem Europa-League-Spiel nachweislich internationale Topwerte erreichte, hat es u.a. Xaver Schlager sogar schon auf bis zu 13 Kilometer gebracht. Der Blondschopf aus St. Valentin ist gleichzeitig der Kapitän der U-19-Sensationself. Beim 2:1 gegen Barcelona fehlte er verletzt. Allein schon wegen Schlager wäre es kindisch, die Jungbullen der Abteilung Kinderfußball zuzuordnen.

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