Dafür gebührt Lob – nicht nur, weil Weihnachten ist.

von Wolfgang Winheim

über berüchtigte Fans mit Herz

Am 24. 12. 2003 hatten sich 88 Anhänger von Union Berlin aus Frust über die desolaten Leistungen des Zweitliga-Klubs im damals abbruchreifen Stadion ohne Genehmigung zum gemeinsamen Stille-Nacht-Heilige-Nacht-Singen versammelt, um die Saison halbwegs versöhnlich ausklingen zu lassen. Zehn Jahre später ist daraus der (mit 27.500 Mitsingern) größte Weihnachtschor Europas geworden. Angestimmt von Fußballfans, denen ansonsten gar kein schmeichelhafter Ruf vorauseilen würde.

Auch in Österreich gibt es berüchtigte Fans mit Herz. Wie sonst ist zu erklären, dass die Rapid Ultras, mit Unterstützung von Kapitän Steffen Hofmann, 25.000 Euro an ein Kinder-Hospiz überwiesen haben. Und dass noch ein anderer Fanklub von der Westtribüne für Hunger leidende Wiener gesammelt hat.

25.000 Euro aus den Taschen von Menschen, die zum Teil um ihren Job bangen oder gar keinen haben! Dafür gebührt Lob – nicht nur, weil Weihnachten ist. Wie überhaupt es der von Wettbetrug und Konkursen gebeutelten Sport verdient hat zu relativieren:

Über die Austria-Spieler und deren ungeliebten Trainer Nenad Bjelica wird auf der Ehrentribüne geschimpft, obwohl in die Champions League eingezogen und der höchste Erlös der Klubgeschichte (15 Millionen) erzielt wurde.

Über die Jung-Rapidler wird gemeckert, obwohl die viel zu grünen Grün-Weißen mehr (= sechs Europa-League-Punkte) erreichten, als ihnen zustand.

Über die Red-Bull-Millionäre wird neidisch die Nase gerümpft, obwohl die Salzburger Stars aus der Dose mit dem Punktemaximum (sechs Spiele, sechs Siege) in die K.-o.-Runde der Europa League aufstiegen, in der sie nicht einmal gegen Ajax Außenseiter sind.

Über den Totalabsturz in den Elementarsportarten wird gerätselt, obwohl Leichtathleten und Schwimmer hierzulande Trainingsmöglichkeiten vorfinden wie Skifahrer in Afrika.

Über die Brettlartisten werden Krisengeschichten verbreitet, obwohl allein in zwölf Herren-Rennen 13 Stockerlplätze eingefahren wurden. Die Siege von Marcel Hirscher, Marlies Schild und Mario Matt werden als selbstverständlich hingenommen, die Rückschläge der Speed-Piloten in Gröden als Skandal interpretiert.

Ein Skandal ist nach Empfinden des zugegeben sportverliebten Autors nicht eine um ein, zwei Zehntel verpasste Medaille, sondern das Zögern bei der Umsetzung der täglichen Bewegungseinheit an Schulen. Oder der Hypo-Milliarden-Pfusch auf Kosten der Steuerzahler.

Verglichen mit dem, was sonst alles abläuft im Staate, ist das Gemeckere über den Sport so, als würde auf einem lecken Kreuzfahrtschiff noch über die Temperatur des Swimming-Pools diskutiert werden.

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