Tagebuch: Kopf hoch

Tagebuch: Kopf hoch
Der dreifache Vater Oliver Glasner widerlegt eindrucksvoll das Vorurteil, wonach Kicker nur dumpfe, geldgierige Gesellen seien.
Wolfgang Winheim

Wolfgang Winheim

Oliver Glasner darf, vorausgesetzt der Kopfschmerz kehrt nicht zurück, auf einem Bildschirm in der Rieder Klinik das Match Ried - Salzburg miterleben. Seinen Arbeitsplatz, der in Anspielung auf einen Werbeslogan des Vereinssponsors der SV Ried "Keine-Sorgen-Arena" heißt, hat er bis auf Weiteres zu meiden. Um seine Zukunft muss sich, sofern er das Kicken lässt, niemand Sorgen machen. Glasner, 36, gilt als blitzg'scheiter Bursche. Er spielte halt jahrelang "nur" in Ried. Und "nur" im Defensivbereich. Das war ein Mitgrund, weshalb es Glasner nie ins Nationalteam, nie zu überregionalen Schlagzeilen brachte. Obwohl er Woche für Woche seinen Mann stellte; obwohl er Ried zum Cupsieg führte; obwohl er als Kapitän verhinderte, dass sein Provinzverein bei internationalen Vergleichen Schiffbruch erlitt. Obwohl, obwohl, obwohl. Über Fußballkreise hinaus bekannt wurde Glasner erst am 4. August. Als sogar in den Radio-Weltnachrichten gemeldet wurde, dass bei Glasner ein Blutgerinnsel zur sofortigen Not-OP in Kopenhagen zwang. Vor zwei Wochen war Glasner nach einem Luftduell mit dem Rapidler Mario Sonnleitner liegen geblieben. Das Publikum pfiff, hielt Glasner, selbst als ihn Sanitäter aus dem Hanappi-Stadion trugen, für einen Zeitschinder. Im Fußball wird so viel getäuscht, dass der Zuschauer oft nicht mehr zwischen Theater und Ernst entscheiden kann.Verteidiger neigen allerdings viel seltener als Stürmer dazu, den toten Mann zu spielen. Ob Emanuel Pogatetz, ob die Rapidler Sonnleitner und Jürgen Patocka oder die Grazer Ferdl Feldhofer und Thomas Burgstaller - sie alle haben x-mal trotz Kopfverbands geköpfelt. Sie alle haben sich schon Nase oder Jochbein gebrochen. Sie alle gelten als Vorzeigeprofis. So wie Glasner. Der dreifache Vater widerlegt eindrucksvoll das Vorurteil, wonach Kicker nur dumpfe, geldgierige Gesellen seien. Er hat es parallel zu Training und Familie per Fernstudium zum Diplomkaufmann gebracht und nie damit geprahlt. Darüber hinaus fungiert er seit sechs Jahren als Kassier von Roundtable Ried. Einer Initiative, die sich um sozial benachteiligte Kinder kümmert. Es wird Zeit, Oliver Glasner am Karriereende zu würdigen und ihm zu raten, in der Liga nie mehr den Schädel hinzuhalten. Dafür ist er ein zu kluger Kopf.

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