In aller Höflichkeit

Wolfgang Winheim

Wolfgang Winheim

Der Fußball verändert Menschen, Menschen verändern den Fußball.

von Wolfgang Winheim

über Häf’nbrüder und Gustostückerl

Bei der WM werden Leut’, die sich vorher und nachher gut vertragen, zu anderen Menschen. Alles sei aggressiv, sagt Franz Beckenbauer. Und nimmt sich selbst nicht aus: "Auch mich haben Freunde speziell 1986 in Mexiko nicht wiedererkannt."

Nach fünf Weltmeisterschaften, die er sowohl als Spieler (Titelgewinn 1974), Teamchef (Titelgewinn 1990) und Organisationschef (2006 symbolischer Titelgewinn) miterlebt hat, sieht Beckenbauer, 68, die Fußballszene gelassener. Und: Er sieht sie mit einer für ihn typischen Alterstoleranz. Er ist zu höflich, um selbst auf unangenehme Fragen eine Antwort schuldig zu bleiben. Und so kamen handverlesene Gäste, denen Bayerns zeitlos beliebter (Fußball-)Kaiser Franz gestern im mondänen Glaspalast seines Lieblingssenders Sky "zum letzten Mal vor der WM" eine Audienz gewährte, mit dem Mitschreiben kaum nach.

58 Kilometer von der Sky-Zentrale entfernt hat Steuerbetrüger Uli Hoeneß vor zwei Tagen seine dreijährige Haftstrafe angetreten. "Ich hoffe, dass der Uli die schwere Zeit ohne Schaden übersteht." Selbstverständlich werde er ihn im Gefängnis besuchen. Er habe sich dafür schon angemeldet, gibt Beckenbauer unumwunden zu. Auch auf die Gefahr hin, dass diese Äußerung speziell nördlich des Weißwurst-Äquators auch Kopfschütteln auslösen wird.

Ein Häf’nstückerl der noch ungeklärten Art könnte die Vergabe der WM 2022 an den Wüstenstaat Katar gewesen sein. Beckenbauer streitet nicht ab, dass er jenen Scheich Mohamed bin Hammam, dem nun millionenschwere Bestechung vorgeworfen wird, im Exekutivkomitee des Weltverbandes FIFA sehr geschätzt habe.

Den diesbezüglichen Fragebogen der Ermittlungskommission hat Beckenbauer unbeantwortet zurückgeschickt. Denn der sei nur in einem Juristen-Englisch abgefasst worden. "Ich habe um eine deutsche Übersetzung ersucht. Aber die haben’s mir nicht gegeben."

Gleichgültig, ob der Scheich FIFA-Stimmberechtigte mit Öl-Millionen g’schmiert hat oder nicht – im Juni, wie bisher vorgesehen, könne man laut Beckenbauer ("Da verglühen die Leut’") am Persischen Golf nicht spielen. In Brasilien sollten die klimatischen Bedingungen hingegen keine Rolle spielen. Alle Teams hätten genug Zeit, um sich darauf einzustellen. "Selbstverständlich auch wir Deutsche."

Dass Teamchef Joachim Löw mit Miroslav Klose ("Zumal der auch schon 36 und a bissl verletzungsanfällig ist") nur einen Mittelstürmer in seinem WM-Kader beließ, überrascht auch Beckenbauer. Dass Deutschland in der Vorrunde scheitert, schließt der Fußball-Kaiser aber aus. "Und wenn’s passiert, dann würde der Jogi wohl freiwillig gehen."

Beckenbauer fliegt erst zum Halbfinale nach Brasilien, von wo aus Sky Sport News Tore und WM-Interviews von 0 bis 24 Uhr rauf- und runterspielen wird. Highlights sind auch einem älteren Herrn wie Beckenbauer oft schon lieber als 90 Minuten. So gibt der Wahl-Salzburger zu, dass er am Dienstag nach der ersten Halbzeit von TschechienÖsterreich eingeschlafen sei. "Aber das hatte nichts mit dem Match und auch nichts mit dem Niveau zu tun."

Der Kaiser ist und bleibt halt ein höflicher Mann.

wolfgang.winheim@kurier.at

Kommentare