Tagebuch: Hickersberger besiegt Maradona
Kein Silvesterscherz: Der ehemalige österreichische EM-Teamchef hat knapp vor Jahreswechsel den argentinischen Ex-Weltmeister ausgetrickst. Doch Josef Hickersberger reagiert wieder einmal anders als andere.
Indem er am arabischen Golf nicht vom 2:1 im Trainerduell gegen Diego Maradona, sondern vom Skisport zu schwärmen beginnt: Wie ihn vor seinem Abschlusstraining in Abu Dhabi als TV-Zuschauer Marlies Schild beeindruckt, wie er den Mut der Abfahrer "bei der schlechten Sicht auf einer so schweren Pist’n" in Bormio bewundert habe. "Und den Sportdirektor Hans Pum hab ich auch gesehen", fügt Hickersberger mit süffisantem Unterton hinzu. "Gut schaut er aus." Gut im Sinne von g’sund und rund.
Optische Vergleiche zwischen seinem oberösterreichischen Ski-Freund P. und seinem südamerikanischen Trainer-Rivalen M. zu ziehen, käme Josef H. indes nie in den Sinn. Die wären auch zu breit hergeholt. Unabhängig davon, in welcher Gewichtsklasse sich Maradona gerade befindet – Spott begleitet ihn überall. So wühlte der Trainer von Emirates-Tabellenführer Al Ain, Cosmin Olaroiu, im Schnee von gestern. Indem der Rumäne öffentlich auf Maradonas Drogenvergangenheit anspielte.
Maradona ließ sich provozieren, rastete verbal aus, worauf sich das Fußball-Gericht der Emirate zum Eingreifen veranlasst sah und es gar nicht sicher war, ob Al-Wasl-Trainer Maradona bei der Auswärtspartie gegen Al Wahda (Hickersberger) im Al-Nahya-Stadion von Abu Dhabi auf der Betreuerbank sitzen würde dürfen. Er durfte. Man beließ es bei einer Geldstrafe von 9000 Dirhan. "Umg’rechnet 1800 Euro", weiß Hickersberger "Die kosten Diego nur an Lacher."
Verstimmt
Maradona hatte erst kürzlich jedem Spieler die Prämie demonstrativ aus eigener Tasche gezahlt, nachdem sein Scheich die Gagen wochenlang schuldig geblieben war. Auch am Golf ist nicht mehr alles Geld, was glänzt.
Hickersberger musste aus finanziellen Gründen das Sommercamp in Wien-Kagran von Al Wahda stornieren, als Außenseiter ohne Neuerwerbungen in die Meisterschaft gehen und akzeptieren, dass seine beiden besten arabischen Innenverteidiger (der eine für zwei Millionen zu Al Ain, der andere für fünf Millionen Euro nach Frankreich) demnächst verkauft werden.
Trotzdem liegt sein Team mit vier Punkten Vorsprung gegenüber Maradona auf Platz vier. Und weil Hickersberger (mit Unterbrechungen) bereits insgesamt vier Jahre am Wüstenrand durchhält, ohne von dort je in die Wüste gejagt worden zu sein, gilt er jetzt schon als der Trainer-Dauerbrenner Nummer 1 in den Emiraten.
Sir Josef kennt alle (Un-) Sitten und Gebräuche. Er hätte auch kein Problem, sich Hochprozentiges zu besorgen. In den Fünf-Sterne-Hotels wird das Alkoholverbot nicht nur zu Silvester ignoriert. Den Liga-Sieg über Maradonas Mannschaft kommentierte er dennoch stocknüchtern: "In der ersten Hälfte waren wir besser. Dann hat Diego risikofreudig Offensivspieler eingewechselt und meine Mannschaft im Griff gehabt, bevor uns zehn Minuten vor Schluss das 2:1 gelungen ist." Vor 6810 ausnahmslos männlichen, in weißen bodenlangen Thawbs gehüllten Augenzeugen erzielten Brasilianer gegen die teure Elf des Argentiniers die Treffer – Baiano und Hugo.
Versöhnt
Anders als nach der Niederlage gegen Al Ain drehte Maradona trotz des späten Verlusttores nicht durch. Im Gegenteil. "Maradona strahlt Herzlichkeit aus." Es kam zur Umarmung mit seinem österreichischen Kollegen und zu Höflichkeitsfloskeln bei der Pressekonferenz, die – zumal von Übersetzungen dominiert – den beiden Trainer-Legionäre nicht kurz genug sein konnte.
"Wir wollten nur noch weg. Der Diego zurück nach Dubai. Und ich heim." Am Neujahrstag steht im arabischen Hause Hickersberger Skispringen am Satelliten-Programm.
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