Die Bankangestellten werden entscheiden

Wolfgang Winheim
Wolfgang Winheim

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Und wer die besten Reservisten hat, der wird am 13. Juli Weltmeister!

von Wolfgang Winheim

über gefeierte Verlierer

Gut für alle schulpflichtigen Fußball-Fans, dass schon Ferien sind. Denn welche WM-Profis als Nächste ihren vorzeitigen Urlaub anzutreten haben – das wird zumindest auf europäischen Bildschirmen vielleicht erneut erst bei einer Mitternachtsshow entschieden.

Nicht weniger als sechs WM-Spiele mussten verlängert werden, bei drei Partien brachte erst das Elferschießen einen Sieger. Allein aus diesen Tatsachen ließe sich die simple Prognose basteln: Wer am meisten rennt, der kommt ins Finale. Und wer die besten Reservisten hat, der wird am 13. Juli Weltmeister!

So gesehen können die Deutschen den Sekt einkühlen. Weil kein anderer Teamchef über so hochkarätige (Ersatz-) Bankangestellte verfügt wie Joachim Löw. Und weil der FIFA-Computer keinem anderen Semifinalisten so hohe Laufleistungen attestiert wie dem deutschen Nationalteam.

Über den sprintstärksten WM-Star aber verfügen die Niederländer: Arjen Robben soll laut spezieller Messungen sogar bis zu 37 km/h schnell gesprintet sein – während es keines Computers bedarf, um zu behaupten, dass Lionel Messi mit dem Ball am Fuß der Genialste ist.

Robben und Messi prallen morgen, Mittwoch – wenn auch nicht als direkte Gegenspieler – im Schlager Argentinien gegen Niederlande aufeinander. Noch aber gilt die ganze Konzentration Teil eins des Kräftemessens SüdamerikaEuropa, dem Spiel Brasilien gegen Deutschland und der Frage, wie die Gastgeber den Ausfall ihres Lieblings Neymar verkraften können. Und wie der Schiedsrichter (heute pfeift der Mexikaner Rodriguez) reagiert?

Ob er aus dem Viertelfinal-Gemetzel, das sein spanischer Kollege Velasco Carballo bei BrasilienKolumbien zuließ, die Konsequenzen zieht und nicht erst die Gelbe Karte zückt, wenn sich einer die Beine gebrochen hat?

Wie schon 1982, als der Italiener mit dem netten Name Gentile Argentiniens Diego Maradona wie einen Tanzbären abgeklopft hatte, und danach alle Endrunden wieder, wird aufgrund von Neymars Verletzung nach mehr Artenschutz für die Stars gerufen.

Märtyrer

Diese Forderung ist ein alter Hut. Neu an dieser WM dagegen ist vielmehr, dass nicht nur Brasilien mit Neymar, sondern fast jedes Teilnehmerland seine Märtyrer und jedes nationale Boulevardblatt irgendeine Dolchstoßlegende als Entschuldigung für WM-Pannen parat hat. Nur in Nigeria, wo der Verbandspräsident sogar verhaftet wurde, und in Russland, wo Teamchef Fabio Capello zum Ausstieg aus seinem bis 2018 geltenden Supervertrages (acht Millionen Euro jährlich) gezwungen werden soll, löst das WM-Ausscheiden ein heftiges Nachbeben aus.

In Kolumbien, Uruguay, Chile, Mexiko, Algerien, Costa Rica, Belgien, Schweiz wurden die Verlierer (unter ihnen der bissige, für neun Spiele gesperrte Luis Suarez) wie Sieger empfangen.

Das war vor 60 Jahren noch anders gewesen. Damals hatten die Rapidler Walter Zeman und Ernst Happel, obwohl mit Österreich in der Schweiz WM-Dritter geworden, den Wiener Westbahnhof durch den Hinterausgang verlassen müssen.

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