Tagebuch: Beten und Rasen

Wolfgang Winheim
In Bormio findet die letzte Abfahrt vor Jahreswechsel statt. Sie ist wohl die schwierigste des ganzen Winters.
Wolfgang Winheim

Wolfgang Winheim

Die traditionelle letzte Abfahrt des Jahres ist für so manchen tatsächlich die letzte der Karriere gewesen.

Aber es ranken sich dort, am südlichen Fuße des Stilfserjochs, auch viele amüsant-groteske Gschichterln um den Skirennlauf, der selbst nach zwei Weltmeisterschaften im Veltlin und mehreren Weltcup-Finale von Mailänder Zweithaus-Besitzern in Bormio nach wie vor ignoriert wird:

wie Franz Klammer sich bei der WM-Abfahrt 1985 als vom Wind verblasener Fünfter ärgerte, während Pirmin Zurbriggen nur acht Tage nach einer Meniskus-Operation Weltmeister wurde, was empörte Alt-Mediziner zu jener Zeit eine journalistische Erfindung nannten;

wie Gesamtsieger Hermann Maier bei seiner Weltcup-Feier 1999 um drei Uhr Früh überschüssige Kräfte loswurde, indem er eine Telefonzelle vor der Disco aus ihrer Verankerung riss;

wie Benjamin Raich in Bormio 2005 nicht weniger als fünf WM-Medaillen eroberte und Österreichs Sportjournalisten später dennoch einen anderen Tiroler, der bei der Spritzen-Tour-de-France eine Etappe gewonnen hatte, zum Sportler des Jahres wählten;

wie Bode Miller mit Badeschlapfen und Sonnenbrille im Nebel benebelt zu seiner Ehrung als Gesamtsieger des Weltcups 2007 taumelte.

Weltmeisterschaften und Weltcup-Finale fanden in Bormio immer erst im Februar bzw. März statt, wenn die Sonneneinstrahlung auf der Piste Stelvio schon eine ganz andere ist.

Bormios alljährliche Weltcup-Abfahrt Ende Dezember ist bei weniger Schnee und weniger guter Sicht jedoch ungleich schwieriger als die Rennen am Saisonende. Ja, vermutlich ist sie sogar die schwierigste Abfahrt des ganzen Winters. Obwohl das die österreichischen – vom ÖSV stets auf Linientreue eingeschworenen – Läufer aus Respekt vor Kitzbühel nie groß hinausposaunen.

Am Dienstag aber gestand Hannes Reichelt , der vor der Fahrt nach Bormio noch die Kirche daheim in Radstadt besucht hatte, nach seinem unverletzt überstandenen Fast-Sturz: "Das Beten hat sich gelohnt."

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