Tagebuch: Anastacia & Anastasia
Anastacia sang bei der Stadion-Eröffnung. Dienstag wird in der neuen EM-Arena von L. mit österreichischer Beteiligung erstmals auch Fußball gespielt. Staatspräsident Viktor Janukowitsch machte vorsorglich einen Bogen um die westukrainische 780.000-Einwohner-Stadt, die auf Grund ihrer ethnischen Gruppen viele Namen hat. Lwiw (ukrainisch) Lwow (russisch), Lwo'w (polnisch), Lemberg (jüdisch bzw. deutsch), Ilyvo (ungarisch), Lvov (armenisch). In Abwesenheit des unbeliebten, weil prorussischen Staatschefs protestierte bei Anastacias Konzert eine Feministinnen-Gruppe barbusig vor dem VIP-Sektor. Deren Angst: Die Fußball-EM werde Sex-Tourismus und Zwangsprostitution fördern. Auch nackte Zahlen empören. Statt der ursprünglich veranschlagten 94 Millionen Euro hat das Stadion von L. 210 Millionen gekostet. Anastacia ließ die Oben-ohne-Demo kalt. Und Österreichs Fußballer wiederum wird weniger die bewegte, blutgetränkte Geschichte des Spielorts, sondern vielmehr die Frage beschäftigen, ob Andrej Schewtschenko, 35, drei Tage nach dem 3:3 gegen Deutschland die Kraft hat, um auch gegen Österreich einzulaufen. Und ob sein Teamchef Oleg Blochin die gleiche Kontertatik anwenden lässt. In einem seiner seltenen Interviews gestand mir Blochin einmal, dass er froh sei, in zehn, 15 Jahren nicht mehr spielen zu müssen, weil der Fußball zu schnell und brutal werde. Das Gespräch fand in Steyr statt. Im Jahre 1988, ... als mit Blochin ein Weltklassefußballer für Vorwärts stürmte; als östliche Staatsamateure für westeuropäische Millionenklubs noch keine Freigabe erhielten; und als die Ukraine noch zum Sowjetreich gehörte. Plattenbauten in L. erinnern an diese tiefroten Zeiten. Einmal pro Woche fährt ein Autobus von Wien nach Lwiw alias Lemberg, das einst nordöstliche Außenstation der k.u.k Monarchie gewesen war.
Schikanös
Wer im eigenen Pkw anreist, benötigt für die 780 Kilometer bis zu 16 Stunden, weil die Kontrollen an der Grenze zwischen Polen und der Ukraine sieben Monate vor deren gemeinsamer EM bis zu drei Stunden dauern. Diese Erfahrung macht Rapid-Fan Philipp K. aus Wien 14, seit er regelmäßig seine kleine Anastasia und deren ukrainische Mama in Lwiw nahe des alten Stadions Ukrainjia besucht. Immerhin ließen ihn die Zöllner mit grün-weißen Geschenken passieren. Inzwischen ist Anastasia 136 Tage Tage alt und das jüngste Rapid-Model. Klein-Anastasia verfügt jetzt schon über mehr Garderobe als die Kinderärzte in L. Die verdienen 420 Euro monatlich. Ums Zigfache weniger als ukrainische Fußballstars oft für einen einzigen Auftritt kassieren. Von US-Pop-Lady Anastacia ganz zu schweigen.
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