Schockzustand

Wolfgang Winheim
Tagebuch: Haben Skirennläufer einen anderen Zugang zur Geschwindigkeit?
Wolfgang Winheim

Wolfgang Winheim

Freitagnachmittag in Sölden, wo sich der Himmel schlagartig verfinstert: Ein Helm mit eingebauter Mini-Kamera, die schon bei der WM in Schladming dem TV-Zuschauer ein völlig neues Rennerlebnis vermitteln soll, wird von ORF-Bildregisseur Fritz Melchert in der Ötztaler Freizeitarena herumgereicht.

Ein paar Meter daneben erfährt der wartende Marcel Hirscher, dass er die Talkshow der Weltcup-Titelverteidiger beim Forum Alpinum mit Lindsey Vonn auf Englisch absolvieren muss.

Drinnen, im großen Söldener Konferenzzentrum, gefällt sich noch FIS-Präsident Gianfranco Kasper als Entertainer, indem er Vergleiche zwischen den olympischen Spielen in London und der bevorstehenden Ski-WM in Schladming zieht.

"Besonders beeindruckt hat mich in London der Sprung der Queen aus dem Helikopter. Gleiches werden wir im Schladming von ÖSV-Präsident Peter Schröcksnadel erleben. Nur ohne Fallschirm."

200 Zuhörer johlen ihm Saal amüsiert auf. Nur dem österreichischen Cheftrainer Mathias Berthold, der am selben Tag noch bei einer Pressekonferenz über die positive Situation in seinem Team referieren will, vergeht plötzlich das Lachen.

Wortlos verlässt Berthold den Saal. Soeben hat er via Handy erfahren, dass einer seiner Rennläufer mit dem Auto tödlich verunglückt war. Björn Sieber wurde nur 23 Jahre alt.

Bei Bekanntwerden der Tragödie werden beklemmende Erinnerungen an Rudi Nierlich wach – und im Medienzentrum Fragen aktuell, die auch schon nach den vielen Auto-Unfällen anderer in- und ausländischer Skirennläufer gestellt worden waren:

Haben sie einen anderen Zugang zur Geschwindigkeit? Björn Sieber, Vorarlberger wie Berthold, galt speziell im Riesenslalom trotz seiner geringen Körpergröße als Riesenhoffnung.

In der Qualifikation für Sölden konnte sich Sieber zuletzt wider Erwarten nicht durchsetzen. Deshalb hätte er am Sonntag als Vorläufer den neuen revolutionären Kamerahelm testen sollen, der in Schladming für alle WM-Starter vorgesehen ist, der aber seit Freitag 15 Uhr vorerst niemanden interessiert.

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