Religion ohne Heilige

Wolfgang Winheim

Wolfgang Winheim

Gestern wurde zum letzten Mal gespielt im alten St. Hanappi, das seit 2004 so genannt wird.

von Wolfgang Winheim

über den Abschied vom Hanappi Stadion

Auch via Facebook verbreitete Worte des Bedauerns nützen dem Kolumbianer Juan Zúñiga nicht: Die Forderungen reichen von Einreiseverbot bis Blutrache – wie mit allem bei dieser WM wird auch mit der Empörung übertrieben. Für das Foul an Brasiliens Liebling Neymar gebührte eine orange Karte. Aber es war in Wahrheit nur folgenschwerer als so viele andere. Gerade Opfer Neymar hat oft schon gemeiner hingelangt.

Neymar fehlt morgen gegen Deutschland. Ungeachtet dessen scheint sein Name in allen Weltauswahlen auf. Die des KURIER besteht aus folgenden elf (bzw. zwölf) Herren: Neuer (Deutschland)/Navas (Costa Rica); Hummels (Deutschland), Thiago Silva, David Luiz (beide Brasilien); Vidal (Chile), James (Kolumbien), Müller (Deutschland), Messi (Argentinien); Robben (Niederlande), Benzema (Frankreich), Neymar.

Heute sind Weltauswahlen nur noch mediale Spielerei, früher wurde in solch illustrer internationaler Zusammensetzung auch gespielt. Der Wiener Gerhard Hanappi war so ein Weltauswahlspieler. Sie riefen ihn „G’schropp“, ehe der 1,69 Meter große Student zur unvergesslichen Größe wurde. Aktuell klingt es undenkbar, dass einer der WM-Stars die Zeit plus die Begabung hat, um ein Stadion zu bauen, das keinem auf dem Kopf fällt. Dipl-Ing. Hanappi gelang dies im Finish seiner von 93 Länderspielen geprägten Karriere. Obwohl ihm die Politik dreinredete und erst die neue Rapid-Arena um 90 Grad gedreht werden wird, so wie es Architekt Hanappi wollte, der wusste, wo in Hütteldorf der Wind herweht.

Gestern wurde (gegen Celtic) zum letzten Mal gespielt im 37 Jahre alten St. Hanappi, das seit 2004 (Copyright Josef Hickersberger) so genannt wird. Für viele Fans ist Rapid tatsächlich Religion, obwohl die Grün-Weißen schon in Zeiten, als noch auf der Pfarrwiese gekickt wurde, keine Heiligen waren. Mit Ausnahme von Hans Krankl, der im Hanappi-Stadion die meisten Bummerln schoss, nahmen alle Promis mit Rapid-Vergangenheit persönlich Abschied von der Kult-Arena. Der legendäre Antonin Panenka reiste sogar aus Prag an. Mit einem Ehrenring im Gepäck, den Panenka im Auftrag des tschechischen Verbandes dem Rapid-Freund Joschi Kadraba, 80, überreichte. Mit Kadraba hatte die ČSSR 1962 WM-Silber errungen. Inzwischen ist er längst Österreicher – und damit „unser“ einziger Fußball-Vizeweltmeister.

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