Politische und andere Slalomläufer
Nur noch 140 Tage bis zur Schladminger Ski-WM. Nur noch 40 bis zum Söldener Weltcup-Auftakt. Benjamin Raich genießt die spätsommerliche Sonne in 1800 Meter Seehöhe auf der Pitztaler Leiner-Alm. Dort, wo er sich noch unmittelbar nach jedem Weltcup-Finale zurückgezogen hatte, um die stressreiche Rennsaison allein gedanklich noch einmal Revue passieren zu lassen. Er spüre, so sagt er, immer noch das gleiche Feuer in sich wie vor seinem ersten Weltcup-Sieg 1999 in Schladming. Er wird auch in seine 15. Weltcup-Saison mit der gleichen Ski-Marke starten. Und mit dem gleichen Betreuerteam. Und er wird auch im WM-Winter die gleichen Fragen mit der gleichen Gelassenheit beantworten, jegliche Schuldzuweisungen vermeidend. Der Doppel-Olympiasieger ist kein Schwarz-Weiß-Denker. In zwei Punkten aber wird er sehr deutlich. Jawohl, die Materialreform sei, um das Verletzungsrisiko zu verringern, notwendig gewesen und bei der Premiere in Sölden werde das TV-Publikum feststellen, dass die schmäleren, weniger taillierten Ski keineswegs die prognostizierte Rückkehr in die Steinzeit bedeuten. Jawohl, die Forderung nach der täglichen Turnstunde sei höchst berechtigt, obwohl sie noch keine Medaillengarantie bedeute. "Denn dazu gehört auch viel Eigeninitiative und die Hilfe der Eltern." Jahrelang war das Thema Bewegungsarmut im politischen Kompetenzdschungel zwischen Schwarz, Blau und Rot hin- und hergeschoben worden. Meist in der Hoffnung, dass die kritischen Rufer ohnehin bald verstummen würden. Und dass die alarmierenden Statistiken von übergewichtigen Jugendlichen ohnehin nur eine Erfindung der bösen Medien seien.
Unterschätzt
Nach den medaillenlosen Sommerspielen aber wird Unterrichtsministerin Claudia Schmied hinsichtlich Turnstunden mit einer Hartnäckigkeit konfrontiert, die ihrer wenig sportlichen Amts-Vorgängerin Elisabeth Gehrer noch erspart geblieben war. Ob Fußball- oder Ski-Stars – initiiert vom unbequemen Volleyball-Präsidenten Peter Kleinmann bekunden populäre Vertreter aller Lager eine Solidarität, die sich mit einem politischen Slalomlauf nicht mehr ewig entschärfen lassen wird. Denn Spitzensportler können auch außerhalb des Sportplatzes verdammt hartnäckig sein. Wie Benjamin Raich haben bereits über 34.000 Österreicher (Stand: Dienstag Abend) die Forderung nach der täglichen Turnstunde unterschrieben. Und nach dem "Tag des Sports" am Samstag auf dem Wiener Heldenplatz werden es noch viele mehr sein.
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