Der Vater des Erfolges

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Wolfgang Winheim

Wolfgang Winheim

Der Ferndiagnostiker sieht oft mehr als manche vor Ort.

von Wolfgang Winheim

über Marcel Hirschers Vater

Ein geschätztes Drittel der Besucher, die daumendrückend die Tribüne in Beaver Creek frequentieren, sind Angehörige der WM-Starter. Der private Fan-Klub Hirscher ist vor Ort durch Mama Sylvia, Freundin Laura und Bruder Leon vertreten. Nur der Vater des Erfolges blieb zu Hause.

Ferdinand Hirscher steht im Salzburger Lammertal, in Annaberg, auf der Piste. Als Leiter der dortigen Skischule organisierte er gestern ein Kinder-Abschlussrennen.

Für Sohn Marcel ist in 8600 Kilometer Entfernung die Medaillenjagd noch lange nicht abgeschlossen. Obwohl bereits mit zwei Goldenen dekoriert, stehen Marcels Spezialrennen erst bevor. Heute Riesenslalom, Sonntag Slalom.

Ferdinand Hirscher wird den Abend vom Freitag, dem 13., allein vor dem Fernsehapparat in den eigenen vier Wänden verbringen. In einer g’mütlichen, bescheidenen Dachwohnung. Protz gehört nicht zur Art des Hauses H.

Vor dem Rennen, in der Halbzeitpause und danach wird Marcel seinen Vater anrufen. Denn der Ferdl, wie der zurzeit erfolgreichste Skifahrer der Welt den Senior nennt, hat ein unglaubliches Aug’ dafür, wo die Tücken lauern und ob sein Marcel zum optimalen Gerät gegriffen hat oder nicht.

Der Ferndiagnostiker sieht oft mehr als manche vor Ort. So durfte ich einmal Zeuge sein, wie Ferdinand H. bei einem Super-G schon während der Fahrt des ersten Vorläufers daheim vor’m TV-Apparat warnend sagte: Die Passage sei zu gefährlich, da passiere noch etwas.

Wenige Minuten später lag genau an dieser Stelle Max Franz blutend im Schnee. Das war im Dezember 2012 gewesen. In Beaver Creek. Dort, wo sich Marcel Hirscher im Super-G damals zurückgehalten hatte. Wo aber soeben er, der Slalomspezialist, in einer heiklen Abfahrt mit ungleich mehr Schneid die Basis für die völlig unerwartete Kombi-Goldene gelegt hat.

Das Mitfiebern beim Abfahrtslauf, gibt der ehemalige Salzburger Landescup-Fahrer Hirscher zu, habe ihm nervlich erheblich zugesetzt. Ferdinand Hirscher macht um seine Gefühle kein Geheimnis. Spielt nicht, wie der optische Eindruck des Schnauzbartträgers vermuten ließe, den grimmigen, harten Hund.

Langstreckenflüge sind ihm ein Horror. Ja, er habe Flugangst. Dabei hätte er auch damit prahlen können, dass er sich einst als Holzarbeiter in der Schweiz am Tau eines Hubschraubers hängend in Gebirgswälder hatte transportieren lassen. "Aber da hab’ ich auf den Boden sehen können."

Dem bodenständigen Ferdl, der vor zwei Jahren noch vor Fußball-Coach Adi Hütter zu Salzburgs Trainer des Jahres gewählt wurde (zumal er auch Motocross-Pilot Matthias Walkner zum WM-Titel coachte), machen zuweilen auch Herzrhythmusstörungen zu schaffen.

In Anbetracht der extremen Höhenlage von Beaver Creek (Ziel in 2700 Metern) ist’s nur klug, wenn der Papa die Höhenflüge seines Sohnes aus sicherer Entfernung mitverfolgt.

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