Das Phantom der U-Bahn

Das Phantom ist stadtbekannt, seit Jahren geht es durch die U4 und sucht nach einer Bier-Bekanntschaft.

von Mag. Leila Al-Serori

über das Phantom der U-Bahn

Letztens habe ich das Phantom der U-Bahn gesehen. Es war unauffällig. Genauso schnell wie es kam, war es auch schon wieder weg. Das Phantom ist ein junger Mann, dunkelhaarig und mit Brille. Er geht durch den Zug, bleibt alle paar Meter stehen und fragt: "Willst du mit mir ein Bier trinken?" Wenn Ablehnung folgt, huscht er schnellstens weiter. Durch den Waggon geht dann ein Raunen: "Er existiert ja wirklich!" Das Phantom ist bekannt, seit Jahren geht es durch die U4 und sucht nach einer Bier-Bekanntschaft. Und das in Zeiten von Dating-Apps, wo man bequem vom Sofa aus flirten kann. Warum tut er das wohl? Vielleicht ist es ein Kick. Eine Krankheit. Ist das Phantom einsam?

Ich habe die Geschichte im Freundeskreis erzählt, jeder hat seine eigene Erfahrung mit dem Phantom. Und anderen Phantomen. Menschen, die jeder kennt, und doch weiß niemand, wer sie sind. Wie sie leben.

Früher lief auf der Mariahilfer Straße ein Mann mit Glatze herum, der "Arschloch, Arschloch" brüllte. Vor mehr als zehn Jahren verschwand er plötzlich.

In Klagenfurt ist es die Frau Wutte. Ihr genuscheltes "Entschuldigen Sie, einen Euro bitte" ist stadtbekannt. Als sie nach ein paar Wochen Absenz wieder auftauchte, schrieb darüber eine Lokalzeitung. In einer Kleinstadt in der Steiermark soll es hingegen einen Mann geben, der Passanten auffordert auf eine Zigarettenschachtel zu steigen. Dann zieht er seine Hose herunter.

Wenn man nach "Einsamkeit" und "Stadt" googelt, bekommt man 617.000 Ergebnisse.

Kommentare