Verpotterte Welt

Julia Schrenk

Julia Schrenk

Plötzlich hat mir nämlich eine Freundin von ihrem Profilfoto auf Facebook zugewinkt. Wie. Bei. Harry. Potter!

von Julia Schrenk

über die zauberhafte virtuelle Realität

Als ich zum ersten Mal Harry Potter las, war ich ziemlich beeindruckt. Nicht nur von der Zauberschule Hogwarts (die ich nur allzu gern besucht hätte), sondern auch vom Tagespropheten (für den ich nur allzu gern geschrieben hätte). Denn in der Tageszeitung der Zauberwelt (sogar mit Abendausgabe!) werden zu den Berichten der Reporter keine "normalen" Fotos veröffentlicht. Nein, die Menschen auf den Fotos können sich bewegen! Sie können den Leser freundlich grüßen, ihn böse anschauen oder ignorieren.

Auch die Porträts ehemaliger Zauberer in den Gängen von Hogwarts können reden und sich bewegen. Sie schimpfen, wenn sie beleidigt sind, besuchen andere Porträts in deren Rahmen oder betrinken sich, wenn ihnen danach ist. Kurz: Sie haben ein Eigenleben und agieren völlig unberechenbar.

"Wie unrealistisch", dachte ich damals (weil die Zauberwelt ja sonst so realistisch ist). Porträts, die ihren Rahmen verlassen können und bewegte Bilder in einer Zeitung. Ja, ja.

Letztens hat mich allerdings die Realität eingeholt. Zumindest die virtuelle. Plötzlich hat mir nämlich eine Freundin von ihrem Profilfoto auf Facebook zugewinkt. Sie hat den Kopf nach rechts geneigt, winkte kurz, zog den Kopf wieder zurück. Immer und immer wieder.

Wie. Bei. Harry. Potter!

Es wird also nicht mehr lange dauern, da werden uns nicht nur die Freunde in den Sozialen Medien zuwinken, sondern auch die Testimonials auf den Plakatwerbungen in der Stadt.

Armin Assinger wird uns vorführen, wie super der neue Akkubohrer vom Lagerhaus funktioniert, bis der Bohrer überhitzt und in Flammen aufgeht. Nicholas Ofczarek wird uns mit seinem Ottakringer auf den Gehsteig zuprosten (Bloß so!) – bis er aus seiner Rolle fällt und sich eine Flasche Wein aufmacht. Und die Menschen auf den Ö3-Plakaten werden zur Musik in ihren riesigen Kopfhörern wackeln, bis einer von ihnen zugibt, eigentlich FM4 zu hören. Eh viel lustiger, so eine verzauberte Welt.

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